Oktober 2020 Blog

Die neue Ver­gabe­sta­tistik – Nichts und nie­mand ent­kommt?

Die Vergabestatistikverordnung führt auf der Grundlage des § 114 GWB eine neue Vergabestatistik ein. Ab dem 1. Oktober 2020 müssen Informationen zu abgeschlossenen Beschaffungsvorgängen zentral elektronisch gemeldet werden. Meldepflichtig sind dabei Auftraggeber, die zu diesem Zwecke eine „Berichtsstelle“ bestimmen muss, welche sich wiederum online beim Statistischen Bundesamt registrieren muss – also: Wer fällt darunter? Was genau muss man melden? Wie und wann muss gemeldet werden?

Wer?

Bei öffentlichen Aufträgen oberhalb der EU-Schwellenwerte ist jeder Auftraggeber i. S. d. § 98 GWB angesprochen, also öffentliche Auftraggeber, Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber. Aber auch unterhalb der EU-Schwellenwerte sind Auftraggeber verpflichtet – nämlich alle öffentlichen Auftraggeber i. S. d. § 99 GWB. Was also zunächst nach einem reinen „Oberschwellen“-Problem aussieht (die Regelung ist schließlich in § 114 GWB zu finden), entpuppt sich als übergreifendes Überraschungspaket, mit dem Pflichten auch im Unterschwellenbereich eingeführt wurden.

Der so verpflichtete Auftraggeber muss eine sog. „Berichtsstelle“ benennen, die sich bei dem Statistischen Bundesamt (Destatis) registriert und für ihn die Statistikmeldungen übernimmt. Die Berichtsstelle kann dabei der Auftraggeber bzw. eine Stelle in seiner Organisation selbst sein – oder eine andere Stelle, die für ihn handelt (z. B. zentrale Vergabestelle, Muttergesellschaft, Berater/Kanzlei).

Was?

Je nach Art des Auftraggebers und Art des Auftrags sind unterschiedliche Daten zu melden:
Im Oberschwellenbereich müssen alle Beschaffungsvorgänge gemeldet werden; nur das Ausmaß der meldepflichtigen Daten variiert. Es werden diverse Kombinationen aus Auftraggeber (öffentlicher Auftraggeber/Sektorenauftraggeber/Konzessionsgeber) und Auftragsart (allgemein/soziale und andere besondere Dienstleistungen/VSVgV-Leistungen) gebildet. Die entsprechend zu meldenden Daten sind in den Anhängen der VergStatVO übersichtlich aufgelistet.

Im Unterschwellenbereich dagegen sind unabhängig von der Art des öffentlichen Auftrags stets dieselben Daten zu melden (in Anhang 8 der VergStatVO gelistet). Allerdings greift die Meldepflicht nur unter den zusätzlichen kumulativen Voraussetzungen: 

  1. der Auftragswert überschreitet 25.000 €, 
  2. die Vergabe unterliegt vergabe- oder haushaltsrechtlichen Verfahrensregeln und 
  3. der Auftrag würde „im Übrigen“ unter Teil 4 des GWB fallen. 

Bagatellvergaben unter 25.000 € müssen also gar nicht gemeldet werden. Aufträge zwischen 25.000 € und dem jeweiligen GWB-Schwellenwert unterliegen in den allermeisten Fällen landes- oder bundesrechtlichen Vergabe- oder Haushaltsregeln, sodass diese Voraussetzung wohl kaum einschränkend wirkt. Interessant ist dagegen die Voraussetzung, dass das GWB „im Übrigen“ anwendbar wäre. Es wird also hypothetisch betrachtet, ob der Beschaffungsvorgang unter das GWB fallen würde, wenn der Schwellenwert erreicht wäre. Die Anwendungsvoraussetzungen des GWB bzgl. „Auftraggeber“ und „öffentlicher Auftrag“ sind in diesem Prüfungsschritt allerdings bereits bejaht, und der Schwellenwert ist ja zu ignorieren. Zu prüfen bleiben damit also noch die Ausnahmetatbestände des GWB – seien es Bereichsausnahmen wie z. B. § 107 GWB oder spezifische Ausnahmen wie z. B. die Joint-Venture-Privilegierung nach § 139 GWB.

Wie und Wann?

Die Meldung geht an das Statistische Bundesamt (Destatis). Sie kann entweder manuell per Online-Formular oder automatisiert per Datenschnittstelle erfolgen. Viele Vergabeplattformen haben die Schnittstelle bereits integriert (teils gegen Aufpreis) – dies wird zumindest im Oberschwellenbereich eine große Hilfe sein. 

Nach Zuschlagserteilung hat die Berichtsstelle 60 Tage Zeit für die Meldung an die Destatis. Die Vergabeverfahren, die ab dem 1. Oktober 2020 bezuschlagt wurde, werden erfasst!

Fazit

Das Destatis wird mit der neuen Vergabestatistik eine moderne bundesweite Datengrundlage erschaffen. Wenn der Auftraggeber erst seine Berichtsstelle bei der Destatis registriert hat und die Schnittstelle seiner verwendeten Vergabeplattform(en) funktioniert, ist die neue Vergabestatistikpflicht auch kein Hexenwerk. Für Auftraggeber, die vornehmlich im Unterschwellenbereich unterwegs sind, kann jedoch einiges an zusätzlicher Arbeit je Beschaffungsvorgang anfallen – zumindest bis sich die Praxis eingespielt hat. Wir helfen gerne dabei, die Meldepflicht grundsätzlich oder im Einzelfall zu klären und praktikable Implementierungen aufzuzeigen oder dabei gar als externe Berichtsstelle zu fungieren.

Jana Gretschel, LL.M (UNSW, Sydney), Rechtsanwältin 
München
 

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