März 2020 Blog

Ände­rungen des Insol­venz­anfechtungs­rechts

Der Gesetzgeber sieht die Notwendigkeit, in der derzeitigen Krise das System der Insolvenzanfechtung zeitlich begrenzt außer Kraft zu setzen. Die zeitliche Begrenzung orientiert sich dabei an der temporären Aussetzung der Insolvenzantragspflicht.

Nach bisheriger Rechtslage ist eine Rechtshandlung (meist die Zahlung durch den Schuldner) dann anfechtbar, wenn der Zahlungsempfänger nach den Umständen weiß, dass der Zahlende zahlungsunfähig ist. Eine solche Kenntnis kann z.B. dadurch begründet werden, dass der Schuldner dem Gläubiger mitteilt, nicht zahlen zu können. Nach bisheriger Rechtslage würde sich daran nichts ändern, auch wenn der Schuldner dies mit den Maßnahmen im Rahmen der Corona-Krise begründet.

Mit der Gesetzesänderung will die Bundesregierung solche Zahlungen und Sicherheitenbestellungen von der Anfechtbarkeit ausnehmen, sofern der Schuldner nur aufgrund der derzeitigen Krise zahlungsunfähig wird. Es gilt dabei eine gesetzliche Vermutung, dass Unternehmen, die zum 31.12.2019 zahlungsfähig waren, nur aufgrund der Corona-Krise zahlungsunfähig geworden sind, so dass das Anfechtungsrecht ausgesetzt ist. In diesem Fall sind Rechtshandlungen, auf die der Gläubiger zu der Zeit und in der Art Anspruch hatte (sog. kongruente Deckungen) von der Anfechtung ausgenommen, auch wenn der Gläubiger wusste (bzw. wissen musste), dass die Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist.

Der Gesetzgeber hat weiterhin die Indizwirkung der sog. inkongruenten Deckungen ausgesetzt. Eine solche liegt in der Regel vor, wenn der Gläubiger vom Schuldner eine Sicherung oder Befriedigung erhält, auf die er keinen Anspruch hatte. Die Abweichung von der vereinbarten Leistung (Sicherung oder Befriedigung) kann sich dabei darauf beziehen, dass der Schuldner etwas anderes leistet oder nicht zur der Zeit leistet, die vereinbart war, oder dass er etwas leistet, worauf der Gläubiger keinen Anspruch hatte. Inkongruente Leistungen unterliegen deshalb nach der geltenden Rechtslage verschärften Anfechtungsvoraussetzungen, d.h. es ist für den Insolvenzverwalter in der Regel leichter derartige Rechtshandlungen rückabzuwickeln.

Angesichts der unabsehbaren, jedoch mit Sicherheit gravierenden Folgen der Corona-Pandemie auf die laufende Wirtschaft und das Zahlungsverhalten einer Vielzahl von Marktteilnehmern, ist zwangsläufig davon auszugehen, dass sich Schuldner und Gläubiger eines Vertrags oftmals auf alternative und abweichende Zahlungen, Befriedigungen oder Besicherungen einlassen werden und müssen. Um diese Vorgänge nicht vollständig einer Insolvenzanfechtung zugänglich zu machen, falls der Schuldner später in Insolvenz geraten soll, hat der Gesetzgeber verschiedene grundsätzlich inkongruente Vorgänge einer Anfechtung entzogen. Hierzu gehören:

  • Leistung an Erfüllungs statt oder erfüllungshalber;
  • Zahlungen durch einen Dritten auf Anweisung des Schuldners;
  • die Bestellung einer anderen als der ursprünglich vereinbarten Sicherheit, wenn diese nicht werthaltiger ist;
  • die Verkürzung von Zahlungszielen und
  • die Gewährung von Zahlungserleichterungen.

Durch diese Änderungen dürfte es den Vertragsparteien möglich sein, relativ flexibel auf die geänderten Rahmenbedingungen zu reagieren. Gleichwohl gilt auch hier die Einschränkung, dass die Insolvenzreife nicht vor dem 01.01.2020 eingetreten sein darf.

Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der spätere Insolvenzverwalter nachweisen kann, dass der Schuldner aus anderen Gründen als der Corona-Krise zahlungsunfähig war. Nach der Gesetzessystematik entfällt damit der Anwendungsbereich des Artikel 1 § 2 Abs.1 Nr. 4  COVInsAG. Dann verbliebe es bei der alten Rechtslage, so dass das Anfechtungsrisiko fortbesteht. Nach unserer Einschätzung gilt dies unabhängig davon, ob der Gläubiger glaubte bzw. glauben durfte, dass die Zahlungsunfähigkeit seinen Ursprung in der derzeitigen Krise hatte. Vermutlich hat der Gesetzgeber dies anders gemeint, aus dem Wortlaut, der Systematik und der Begründung ist dies aber nicht ersichtlich. Zugunsten des Gläubigers sollte ausdrücklich auch im Wortlaut (widerleglich) vermutet werden, dass er bei Rechtshandlungen im Zeitraum vom 01.03.2020 bis zum 30.09.2020 davon ausgehen kann, dass die Zahlungsunfähigkeit seines Vertragspartners ausschließlich aufgrund der Corona-Krise besteht. Anderenfalls verbleibt es bei den Unsicherheiten. Gerade in Betracht der manchmal etwas eigenwilligen Rechtsprechung des IX. Zivilsenates sollten die Regelungen ausreichend klar formuliert sein.

Ansgar Hain
Christian Fuhst

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