Februar 2024 Blog

Die Vorsatzanfechtung – (Fast) alles beim Alten

Haben potentielle Anfechtungsgegner nach der mit Urteil vom 06. Mai 2021 verkündeten Rechtsprechungsänderung gehofft (und Insolvenzverwalter befürchtet), dass die Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO „tot“ sei, so hat sich diese Hoffnung (erwartungsgemäß) nicht begründet. Die dort genannten Anforderungen an den Sachvortrag des Insolvenzverwalters zum Gläubigerbenachteiligungsvorsatz sind nur bedingt auf die Frage zu übertragen, ob der Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit und damit den Benachteiligungsvorsatz erkannt hat.

Sachverhalt

Der spätere Insolvenzschuldner kaufte Anteile an einer Gesellschaft die ein bebautes Grundstück besaß. Für die zweite Kaufpreisrate in Höhe von 550.000 EUR benötigte sie ein Darlehen, welches ihr die spätere Beklagte bewilligte. Die Rückzahlung des Darlehens war zum 01. März 2015 vereinbart. Nachdem eine Rückzahlung nicht erfolgte, mahnte die Beklagte mehrfach die Rückzahlung an. Nach einer Teilzahlung in Höhe von 150.000 EUR vom 11. März 2015, erwirkte die Beklagte ein vorläufiges Zahlungsverbot. Aufgrund dieser Maßnahme zahlte die Insolvenzschuldnerin weitere 50.000 EUR. Weitere Teilzahlungen erfolgten jeweils, nachdem die spätere Beklagte weitere vorläufige Zahlungsverbote ausgebracht hatte. Im Instanzenrechtszug hatte sich die Beklagte noch erfolgreich damit verteidigen können, dass sie aufgrund der Äußerungen des Geschäftsführers davon ausgehen konnte, dass die (wohl offensichtliche) Zahlungsunfähigkeit kurzfristig überwunden werde. Dieser hatte nämlich angekündigt, die notwendigen finanziellen Mittel kurzfristig entweder durch Verkauf der Anteile oder des Grundstückes beschaffen zu können. Sowohl Land- als auch Kammergericht gingen unter Anwendung der „neuen“ Rechtsprechung daher davon aus, dass eine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei der Beklagten nicht vorgelegen habe.

Entscheidung

Anders der BGH. Eine solche Annahme sei nur dann möglich, wenn sie aufgrund einer gesicherten objektiven Tatsachengrundlage gerechtfertigt ist. Aufgrund der aufgetretenen Zahlungsrückstände und der lediglich erfolgten Teilzahlungen musste wohl von einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit ausgegangen werden (das Urteil bezog sich allerdings auf ein Insolvenzverfahre, welches noch vor der Reform 2017 eröffnet wurde, so dass noch die Kenntnis der nur drohenden Zahlungsunfähigkeit genügte). Sofern dann die spätere Insolvenzschuldnerin auf Nachfrage mitteilte, dass ein kurzfristiger Verkauf der Anteile/Grundstücke diese Zahlungsunfähigkeit beseitigen wird, so genügt diese Hoffnung nicht. Der BGH fordert, dass der Anfechtungsgegner sich in diesem Fall konkrete Kaufangebote zeigen lassen muss und der Verkaufswille der Schuldnerin unzweifelhaft feststehen muss. Auf derartige Informationen bestünde ein Anspruch. Wer nicht in der Weise vorgehe, handele mit dem Risiko einer späteren Insolvenzanfechtung.

Praxishinweis

Diese Klarstellung bedeutet für Gläubiger eines potentiell zahlungsunfähigen Vertragspartners, dass diese, um die Annahme der Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit auszuräumen, konkrete Informationsansprüche beim Geschäftspartner geltend machen müssen. Ist dies einerseits wohl aus atmosphärischen Gründen in der Praxis selten möglich, besteht zusätzlich die Gefahr, dass sich der Anfechtungsgegner mit diesem Auskunftsverlangen sein „eigenes Grab schaufelt“. Denn letztlich wird er ausdrücklich klarstellen müssen, dass er von einer bestehenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ausgeht, nur dann macht die Geltendmachung der Informationsrechte überhaupt Sinn. Diese Aussage, sofern sie denn in den Unterlagen des Schuldners festgehalten ist, vereinfacht die Beweisführung des Insolvenzverwalters erheblich. Ein Anfechtungsanspruch kann dann nur noch abgewehrt werden, wenn der Schuldner tatsächlich eine konkrete Sanierungsplanung vorlegen und nachweisen kann. In der Praxis eine äußerst seltene Ausnahme, so dass abzuwägen sein wird, ob ein solches Auskunftsverlangen geltend gemacht wird und ob es nicht möglicherweise das Anfechtungsrisiko erhöht.

BGH, Urteil vom 26.10.2023 Az. IX ZR 112/22

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