September 2019 Blog

Freie Fahrt für MOIA

Das Oberverwaltungsgericht Hamburg (OVG) hat mit seinem „MOIA“-Beschluss den Weg für innovative Mobilitätsangebote vorerst frei gemacht, die sich nun einen Platz zwischen dem öffentlichen Nahverkehr, dem Taxengewerbe und Carsharing-Anbietern zu erkämpfen versuchen. Das OVG verneinte die Antragsbefugnis eines Taxenunternehmers, der gegen die Genehmigung zum Erprobungsverkehr gerichtlich vorzugehen versucht hatte. Deswegen darf der App-basierte On-Demand-Ride-Sharing-Dienst MOIA seine Fahrzeugflotte wie geplant auf bis zu 1000 Fahrzeuge aufstocken. Die Entscheidung in der Hauptsache steht noch aus.

Hintergrund der Entscheidung

Seit einigen Monaten kann man die elektrisch betriebenen Fahrzeuge des „Ride-Sharing“ Anbieters MOIA im Hamburger Stadtbild wahrnehmen. Im April 2018 erteilte die Hamburger Verkehrsbehörde der VW-Tochter die Genehmigung für den Einsatz von bis zu 1000 Fahrzeugen im Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis zum 31. Dezember 2022 auf dem Gebiet der Stadt Hamburg. Ein Teil der Genehmigung stützt sich auf eine sog. Erlaubnis zum Erprobungsverkehr nach § 2 Abs. 7 Personenbeförderungsgesetz (PBefG). Eine solche Erlaubnis soll es ermöglichen, die Tauglichkeit von neuen Verkehrsarten oder -mitteln in dem sonst engmaschig regulierten Bereich der Personenbeförderung zu erproben. Für seinen „Pooling-Shuttle“, also für die Beförderung von mehreren voneinander unabhängigen Personen, hat MOIA eine solche Erprobungsgenehmigung erhalten; soweit die Fahrzeuge für einen „Exklusiv-Shuttle“ eingesetzt werden, wurde MOIA hingegen eine Genehmigung für den Gelegenheitsverkehr mit Mietwagen nach § 49 Abs. 4 PBefG erteilt. In der Vorinstanz entschied das Verwaltungsgericht Hamburg teilweise zu Gunsten des antragstellenden Taxenunternehmers, dass bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, nur 200 Fahrzeuge eingesetzt werden dürfen. Dagegen legten MOIA und die Stadt Hamburg erfolgreich Beschwerde ein.

Inhalt der Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz

Das OVG Hamburg lehnte den Eilantrag des Taxenunternehmers und dessen Antragsbefugnis mit der Begründung ab, er habe bereits kein subjektives Recht im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO analog, auf das er sich berufen könne. Ein solches leite sich insbesondere nicht aus § 2 Abs. 7 PBefG her, nach dem Erprobungsgenehmigungen erteilt werden können, soweit öffentliche Verkehrsinteressen nicht entgegenstehen. Unter „öffentlichen Verkehrsinteressen“ seien die „Bedienung der Öffentlichkeit mit passenden Verkehrsangeboten“ zu verstehen. Die Interessen eines Einzelnen würden gerade nicht geschützt.

Auch aus den vom Taxenunternehmer geltend gemachten Grundrechten lasse sich keine Antragsbefugnis ableiten, weder im Hinblick auf die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG noch auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs.  1 GG. Letzteres scheide schon mangels gleichen Sachverhalts aus, der beim Erprobungsverkehr und beim Gelegenheitsverkehr mit Taxen nicht vorliege. Das Grundrecht auf freie Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG biete keinen Schutz vor Konkurrenz, sondern sichere nur die Teilhabe am Wettbewerb, wobei sich die Wettbewerbsbedingungen auch ändern könnten. So wie auch die Zulassung eines neuen Taxenunternehmers, stelle die Erprobung einer neuen Verkehrsart nur marktimmanenten Wettbewerb dar. Vielmehr stehe bei letzterem mangels Erkenntnissen noch nicht einmal fest, ob eine tatsächliche Konkurrenzsituation auf dem Markt vorliege. Ein spürbar wirtschaftlicher Schaden, der das allgemeine Marktrisiko übersteige, sei schließlich auch nicht vom Antragsteller dargelegt worden. Hierin liegt eine der zentralen Aussagen der Entscheidung: Nach dem OVG muss nicht der neu auf den Markt tretende Unternehmer bzw. die genehmigende Behörde prüfen und ausschließen, dass durch sein Hinzutreten kein spürbarer wirtschaftlicher Schaden für bereits im Markt befindliche Taxenunternehmer entstehen könnte. Vielmehr sei es Aufgabe des Taxenunternehmers, diesen Umstand substantiiert vorzutragen.

Praxishinweis

Auch die Deutsche Bahn mit „CleverShuttle“ und die Berliner Verkehrsbetriebe mit ihrem „BerlKönig“ drängen in den Markt um umweltfreundliche Alternativen zum eigenen Auto. Das Bundesverkehrsministerium reagierte auf den wachsenden Ruf nach einer Modernisierung des Personenbeförderungsrechts und veröffentlichte Anfang des Jahres ein Eckpunktepapier, in dem es Änderungsvorschläge vorstellte. Es bleibt abzuwarten, welche Mobilitätskonzepte sich letztlich durchsetzen werden und ob die Verwaltungsgerichte die vom OVG Hamburg aufgezeigte Möglichkeit nutzen, den Spielraum für innovative Mobilitätsangebote zu erweitern und damit den Weg für echte Alternativen frei machen.

(OVG Hamburg, Beschluss vom 1. Juli 2019, Az.: 3 Bs 113/19)

Dr. Michael Kleiber und Dr. Annika Bleier, Rechtsanwälte
beide Hamburg

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