Februar 2023 Blog

Grenzen der Verbandsklagemöglichkeiten von Tierrechtsorganisationen - Unternehmerrechte gestärkt

Nach dem Verwaltungsgericht Stuttgart hat jetzt auch das Verwaltungsgericht Sigmaringen eine Verbandsklage von Tierrechtsorganisationen wegen angeblicher Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen zurückgewiesen.

Sachverhalt

Ein eingetragener Verein, der vom Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg nach dem Gesetz über Mitwirkungsrechte und das Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzorganisationen (TierSchMVG) als verbandsklagebefugt anerkannt worden war, begehrte mit einer gegen das Land Baden-Württemberg erhobenen Klage den Erlass tierschutzrechtlicher Anordnungen gegen den EU-rechtlich zulässigen Export von Kälbern nach Spanien. Nachdem zuletzt schon das Verwaltungsgericht Stuttgart eine ähnlich strukturierte Verbandsklage, gerichtet auf ein Verbot der Putenhaltung und -mast zurückgewiesen hatte (die Berufung ist aktuell beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg anhängig), hat jetzt auch das Verwaltungsgericht Sigmaringen die Verbandsklage gegen die Kälbertransporte als unzulässig zurückgewiesen.

Grundlegende Entscheidung

Mit Urteil vom 8. Dezember 2022, das den Parteien mit den Entscheidungsgründen im Januar 2023 zugestellt worden ist, stellten die Richter fest, dass nicht nur die umfangreichen Klageanträge insgesamt zu unbestimmt seien und ihnen das Rechtsschutzbedürfnis fehle, sondern vor allem der klagenden Tierschutzorganisation trotz ihrer ministeriellen Anerkennung die Klagebefugnis für Klagen dieser Art fehle. Die von der Tierschutzorganisation über mehrere Seiten formulierten Klageanträge ließen sich zwar nach Auffassung der Richter dahingehend auslegen, dass alle im Zuständigkeitsbereich des betroffenen Landratsamts beginnenden grenzüberschreitenden langen Transporte von nicht abgesetzten Kälbern auf dem Landweg untersagt werden sollen.

Selbst bei einer solchen sachdienlichen Auslegung der Klageanträge gemäß § 88 VwGO, so die Richter, fehle es aber an der Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO. Die Richter verwiesen hierfür auf den Wortlaut des TierSchMVG als dem Gesetz, das die Verbandsklagebefugnisse auf Landesebene überhaupt erst ermöglicht: Da § 3 Abs. 3 Nr. 3 TierSchMVG ausdrücklich auf einen engen Katalog von Mitwirkungsrechte in § 2 Abs. 1 TierSchMVG Bezug nehme, ergebe sich hieraus zwingend, dass Rechtsbehelfe und insbesondere Klagen von anerkannten Tierschutzorganisationen erstens nur in diesen konkreten Verfahren möglich und zulässig seien, und dass zweitens Voraussetzung für einen solchen Rechtsbehelf dann auch sei, dass es sich bereits um ein laufendes Verfahren handele, an dem die Tierschutzorganisation mitwirken könne.

Praxishinweise

Tierschutzrechtliche Verbandsklagerechte sind in den zurückliegenden Jahren von mehreren Bundesländern durch landesgesetzliche Regelungen eingeführt worden. Seither sind entsprechende Verbandsklagen zunehmend von Tierrechtsorganisationen erhoben worden, die sich mittels medienwirksamer Verbandsklagen eine breite Medienöffentlichkeit und damit zugleich steigende Spendeneinnahmen erhoffen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen hat jetzt erstmals deutliche Grenzen für die Mitwirkungs- und Verbandsklagemöglichkeiten definiert und die Rechte der Unternehmen aus dem Bereich der Tierhaltung spürbar gestärkt. Tierhaltende Betriebe, die als Betroffene zu derartigen verwaltungsrechtlichen Verfahren über tierschutzrechtliche Verbandsklagen beigeladen werden, sollten solchen Klagen deshalb auch als Beigeladene mit Nachdruck entgegentreten, stets inhaltlich Stellung nehmen und sich zuvor rechtlich beraten lassen.

(Verwaltungsgericht Sigmaringen, Urteil vom 8. Dezember 2022 – Az. 4 K 3428/21)

Berufungsinstanz: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Az. 6 S 254/23

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