Juli 2020 Blog

Insolvenz­anfech­tung und Raten­zahlungs­verein­barung: Rechts­lage auch nach neuem An­fechtungs­recht un­ver­ändert

Der BGH hat zum ersten Mal über das seit 2017 geltende „neue“ Anfechtungsrecht zu urteilen und konnte dabei erstmals über die vom Gesetzgeber angeordnete Vermutungswirkung bezüglich der Nichtkenntnis von der Zahlungsunfähigkeit bei Ratenzahlungsvereinbarungen urteilen.

Sachverhalt

Die beklagte Bank gewährte dem späteren Insolvenzschuldner im Jahr 2009 ein Darlehen. In den Monaten April und Mai 2016 kam es zu insgesamt vier Rücklastschriften im Rahmen der Darlehensrückführung. Von Juni 2016 bis August 2016 unternahm die Beklagte keine Einziehungsversuche und kündigte am 03.08.2016 den Darlehensvertrag. In der Folgezeit schloss die Inoslvenzschuldnerin mit der Beklagten eine Ratenzahlungsvereinbarung in deren Verlauf die Insolvenzschuldnerin von September bis November 2016 drei Raten à 350,00 EUR zahlte. Der Insolvenzverwalter focht diese Ratenzahlungen an.

Amts- und Landgericht haben auf die Anfechtungsklage des Insolvenzverwalters hin die Beklagte in der Hauptsache.

Entscheidung

Der BGH hat die Verurteilung aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Es hat allerdings die Verurteilung nicht deshalb aufgehoben, weil die Ratenzahlungsvereinbarung eine Vermutung für die Nichtkenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz beinhaltet. Der BGH hat klargestellt, dass sich die Rechtslage hier nicht geändert hat. Allein die Ratenzahlungsvereinbarung selbst ist kein Indiz dafür, dass der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit erkannt hat. Allerdings hilft auch die Ratenzahlungsvereinbarung nichts, wenn aus anderen Indizien auf die Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden kann. Im vorliegenden Fall lagen solche Indizien vor, da es u.a. zu Lastschriftrückgaben und Nichtzahlungen gekommen war und der Schuldner auch höhere Raten als ursprünglich im Darlehensvertrag vereinbart zurückzahlen musste.

Der BGH hat aber gleichwohl Zweifel an der Anfechtbarkeit im konkreten Fall, weil die beklagte Bank trotz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nicht unbedingt die Gläubigerbenachteiligung erkannt hat. Es handelte sich nämlich nicht um die Hausbank des Insolvenzschuldners und im Prozess war nicht vorgetragen, dass diese Kenntnis von der unternehmerischen Tätigkeit des Insolvenzschuldners hatte. Nur beim unternehmerisch tätigen Schuldner muss jeder Gläubiger wiederum vermuten, dass es weitere Gläubiger mit offenen Forderungen gibt. Zu dieser Frage muss das Berufungsgericht dann noch Feststellungen treffen.  

Praxishinweise

Die vom Gesetzgeber mit viel „Brimborium“ verabschiedete Anfechtungsreform ist in vielen Punkten im Ansatz stecken geblieben. Dies wurde bereits befürchtet. Gerade die Vermutungsregelung, die Ratenzahlungsvereinbarungen von der Anfechtung ausnehmen sollte, ist nicht mehr geworden, als eine Bestätigung der schon vor der Gesetzesänderung geltenden Rechtsprechung. Allein die Ratenzahlungsvereinbarung sorgt nicht für die Anfechtbarkeit. Verbindet der Insolvenzschuldner aber die Bitte um Ratenzahlung mit dem Hinweis nicht zahlen zu können, so bleiben die Zahlungen auch nach neuer Rechtslage anfechtbar. Interessant ist aber, dass der BGH nunmehr seine Rechtsprechung erneut bestätigt hat, dass bei nicht unternehmerisch tätigen Schuldnern eine Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung und damit einer Grundvoraussetzung des Anfechtungsanspruches nur dann vorliegt, wenn Kenntnis von weiteren Gläubigern besteht. Da dieses der Insolvenzverwalter zu beweisen hat, was in der Praxis selten möglich ist, können Gläubiger mit Privatschuldnern deutlich anders umgehen, als mit gewerblich Tätigen.

(BGH, Urteil vom 07.Mai 2020 – IX ZR 18/19)

Ansgar Hain, Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter
Berlin

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