Medienrecht: Bundesgerichtshof zu Stalleinbrüchen aus der Tierschutz-Szene
Der BGH hat in einem aktuellen und hoch umstrittenen Urteil bestätigt: Stalleinbrüche aus der Tierschutz-Szene zur Beschaffung von Videomaterial bleiben als Hausfriedensbruch grundsätzlich rechtswidrig. Die Verbreitung des rechtswidrig beschafften Videomaterials durch TV-Sendeanstalten soll aber in Ausnahmefällen dennoch zulässig sein.
Sachverhalt
Der für Presse- und Medienrecht zuständige VI. Zivilsenat des BGH hat in einer am 10. April 2018 verkündeten Entscheidung (Aktenzeichen: VI ZR 396/16) die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Klage des von einem Hausfriedensbruch aus der Tierrechtsszene betroffenen landwirtschaftlichen Unternehmens gegen die Verbreitung von Videoaufnahmen durch den MDR Mitteldeutschen Rundfunk (im September 2012) abgewiesen. Das Besondere: Die Aufnahmen waren von selbsternannten Tierrechtlern unter Begehung von Straftaten (Hausfriedensbruch; § 123 StGB) beschafft worden und zeigten rechtmäßige Haltungsbedingungen, die im Einklang mit der EU-Öko-Verordnung standen und keinerlei Tierschutzverletzungen dokumentierten. Der MDR hatte das Material im September 2012 ausgestrahlt. Landgericht und Oberlandesgericht Hamburg hatten dem MDR die weitere Verbreitung unter Hinweis auf die rechtswidrige Beschaffung untersagt.
Entscheidung
Der VI. Zivilsenat versucht sich in seiner Entscheidung an einem Spagat zwischen Meinungsfreiheit und Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung: Das nicht genehmigte Eindringen der Täter in die Ställe wird vom BGH zwar mehrfach als rechtswidrig eingestuft und ausdrücklich als Hausfriedensbruch bezeichnet. Maßgeblich sei jedoch, so der Senat, dass sich der Sender MDR nicht an der rechtswidrigen Beschaffung der Aufnahmen durch die Täter beteiligt habe. Deshalb solle es für die Zulässigkeit der Verbreitung in diesem Fall ausreichen, dass ein besonderes öffentliches Interesse an der Berichterstattung unter Verbreitung solcher Aufnahmen bestehe.
Ausblick
Mitglieder der radikalen Tierrechts-Szene werden die Entscheidung zunächst vermutlich als ein Freischein missverstehen, rechtswidrig beschafftes Videomaterial über „loyale“ TV-Sender zu vermarkten. Allerdings: Liest man die Entscheidungsgründe genau, gelten auch künftig für die Zulässigkeit einer Verbreitung von derartigen Videoaufnahmen aus nächtlichen Hausfriedensbrüchen weiterhin strenge Voraussetzungen:
- das Material muss von dritter Seite beschafft worden sein, darf also nicht von den Tätern selbst verbreitet werden,
- auch der BGH geht von einem (strafbaren) Hausfriedensbruch der beteiligten Täter aus
- das Material darf keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse offenbaren
- die Videoaufnahmen müssen den Zuschauer zutreffend informieren
- die Aufnahmen dürfen keine unwahren Tatsachenbehauptungen transportieren
Sind einzelne oder mehrere dieser Voraussetzungen nicht eingehalten, werden sich landwirtschaftliche Betriebe also auch künftig gegen die Verbreitung solcher strafbar beschaffter Aufnahmen und rufschädigende Kampagnen mit einstweiligen Verfügungen und zivilrechtlichen Schritten zur Wehr setzen können.
Dr. Walter Scheuerl, Rechtsanwalt
Hamburg