Februar 2024 Blog

Neue Falle im Falle der insolvenzbedingten Kündigung des Bauvertrages

Die Rechtslage zur Frage der Zulässigkeit einer Kündigung des Bauvertrages aufgrund Insolvenzantragstellung des Werkunternehmers schien durch zwei inhaltliche übereinstimmende Entscheidungen des VII. und des IX. Zivilsenates des BGH zugunsten der Zulässigkeit geklärt zu sein. Nach einer neuen Entscheidung des Insolvenzsenates ist das Risiko einer solchen Entscheidung neu zu bewerten.

Sachverhalt

Die Beklagte beauftragte die Schuldnerin in zwei verschiedenen Bauvorhaben mit der Ausführung von Metallbauarbeiten. Nachdem sie Kenntnis vom Insolvenzeröffnungsantrag der Schuldnerin erhalten hatte, kündigte sie unter Hinweis auf § 8 Abs.2 VOB/B den Bauvertrag. Der Insolvenzverwalter nahm die Beklagte auf Zahlung der Schlussrechnungssumme in Anspruch. Die Beklagte rechnet gegen diesen Anspruch mit Schadensersatzansprüchen wegen Nichterfüllung aus dem parallelen Bauvorhaben auf.

Entscheidung

Der BGH hält die Aufrechnung für unwirksam, da die Aufrechnungslage in anfechtbarer Weise geschaffen worden ist (§ 96 Abs.1 Nr.3 InsO). Die Beklagte habe in Kenntnis der Insolvenzantragstellung gekündigt, so dass die Voraussetzungen des § 130 InsO erfüllt seien. Die bisherige Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer Kündigung im Falle der Insolvenzantragstellung eines Vertragspartners schließe eine solche weitere Rechtsfolge nicht aus. Das Ergebnis stehe nach Auffassung des für das Insolvenzrecht zuständigen IX. Zivilsenates auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des für das Baurecht zuständigen VII. Zivilsenates. Dieser hatte in einer älteren Entscheidung zur Gesamtvollstreckungsordnung (eine der Vorgängernormen der InsO) die Aufrechnung für möglich gehalten, da es an einer Gläubigerbenachteiligung fehle. Sowohl Schadensersatzanspruch, als auch Restvergütungsanspruch entstünden erst durch die Kündigung. Diese Begründung greife hier nicht, da die Beklagte mit Schadensersatzansprüchen aus einem anderen Bauvorhaben aufgerechnet habe, so dass der einheitliche Entstehungstatbestand beider Ansprüche gerade nicht vorliegt.Der BGH hat es in der Entscheidung ausdrücklich offengelassen, ob die Rechtsauffassung des VII. Zivilsenates bei Aufrechnung mit Schadensersatzansprüche aus dem gleichen Rechtsverhältnis Bestand hat.  

Praxishinweis

Die Parteien eines Bauvertrages werden bei Insolvenzantragstellung nunmehr erneut gewissenhaft prüfen müssen, ob die Kündigung des Bauvertrages sinnvoll ist. Es besteht zumindest die Gefahr, dass Restvergütungsansprüche der späteren Insolvenzschuldnerin bestehen bleiben und nicht mit Ansprüchen aufgrund Schadensersatzes wegen Nichterfüllung aufgerechnet werden können, auch wenn es sich um ein einheitliches Vertragsverhältnis handelt.  Ob dieses Risiko in Betracht des drohenden Zeitverzuges (Erklärungsfrist des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO läuft möglicherweise erst Monate nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab) bei der Fortsetzung des Bauvorhabens in Kauf genommen werden sollte, bleibt dann einer Einzelfallprüfung überlassen.

BGH, Urteil vom 19.10.2023 IX ZR 249/22

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