Neues Klimaschutzrecht in Baden-Württemberg
In Baden-Württemberg ist das aus dem Jahr 2013 stammende und in den letzten Jahren immer wieder novellierte Klimaschutzgesetz grundlegend fortentwickelt und neugefasst worden. Zum 11. Februar 2023 ist das Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz in Kraft getreten, das bereits im Namen zum Ausdruck bringt, was das Bundesverfassungsgericht in seinem Klimabeschluss dem Gesetzgeber – Bund und Ländern – ins Stammbuch geschrieben hatte: Der Staat ist nicht nur zum Schutz vor den Gefahren des Klimawandels nicht nur verpflichtet, den Klimawandel zu begrenzen, ergänzend sind auch positive Schutzmaßnahmen erforderlich, die die Folgen des Klimawandels zu lindern (BVerfGE 157, 30, 111).
Neben der gesetzgeberischen Unterstreichung der Notwendigkeit der sog. Klimawandelanpassung enthält das Gesetzespaket weitere Neuerungen im Klimaschutzrecht des Landes Baden-Württemberg.
Überblick über die wesentlichen Neuerungen
Sektorziele
Zentrales Element des Klimaschutzgesetzes sind die Klimaschutzziele für die Jahre 2030 und 2040. Sie geben die Richtung für die Klimapolitik des Landes vor. Das Ziel für das Jahr 2030 wird nun auch – wie im Bund – für einzelne Sektoren wie z. B. die Energiewirtschaft, die Industrie oder den Verkehr durch „Sektor-Ziele“, also konkrete Einsparvorgaben beim Treibhausgasausstoß, handhabbar gemacht.
Klima-Maßnahme-Register als neues Instrument
Um diese Ziele zu erreichen, wurde das Instrument des „Klima-Maßnahmen-Registers“ entwickelt, in dem die Maßnahmen der Landesregierung zum Schutz des Klimas einheitlich, übergeordnet und fortlaufend geführt werden. Es löst das bislang im Klimaschutzgesetz vorgesehene integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept ab.
Einführung eines CO2-Schattenpreises
Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen der gesetzlich verankerten Vorbildfunktion der öffentlichen Hand nachzukommen, wird das Instrument des CO2-Schattenpreises gesetzlich eingeführt. Dieser spiegelt anteilig die Höhe der Schäden wider, die der Gesellschaft gesamtheitlich betrachtet künftig durch den Ausstoß von Treibhausgasemissionen entstehen und ist auf das Jahr der Emission diskontiert. Um Lösungen zu befördern, die zu einem geringeren CO2-Ausstoß führen, sollen zu den im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsberechnung ermittelten tatsächlichen Kosten die rechnerischen Kosten des CO2-Schattenpreises hinzugerechnet werden. Dies führt dazu, dass Baumaßnahmen mit einem höheren Anteil an Baustoffen mit einem treibhausgasintensiven Herstellungsauf wand sowie Energieversorgungslösungen mit einem hohen Anteil fossiler Energieträger aufgrund der damit einhergehenden höheren CO2-Emissionen rechnerisch teurer werden. Damit wird erreicht, dass trotz der u. U. rein betriebswirtschaftlich höheren Kosten der Baumaßnahme mit weniger CO2-Emissionen der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit unter Berücksichtigung des CO2-Schattenpreises eingehalten wird.
Auch wenn der Anwendungsbereich des „verpflichtenden Teils“ des CO2-Schattenpreises zunächst noch auf originäre Baumaßnahmen des Landes beschränkt ist, „soll“ er künftig auch bei Beschaffungen durch die Behörden, Betriebe und Einrichtungen des Landes im Liefer- und Dienstleistungsbereich angewendet werden. Es bleibt abzuwarten, inwieweit diese Sollvorschrift in der Verwaltungsvorschrift der Landesregierung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VwV Beschaffung) im Einzelnen ausgestaltet wird.
Monitoring
Das Monitoring im Bereich des Klimaschutzes umfasst auch weiterhin eine jährliche sowie eine dreijährliche Berichterstattung. Wesentliche Änderungen ergeben sich für die jährliche Klima-Berichterstattung, die ab dem Jahr 2023 einsetzen soll. Sie umfasst nunmehr einen Emissionsbericht des Statistischen Landesamts, die Sektorberichte der federführend verantwortlichen Ministerien für den jeweiligen Sektor und eine Stellungnahme des Klima-Sachverständigenrats. Mit dieser Ausrichtung des jährlichen Monitorings soll dem neuen Konzept des Klima-Maßnahmen-Registers entsprochen werden.
Pflicht zur Installation von Photovoltaikanlagen
Das Klimaschutzgesetz enthält auch konkrete Maßnahmen. Dazu zählen insbesondere die kommunale Wärmeplanung und die Pflicht, auf neugebauten Gebäuden und bei grundlegenden Dachsanierungen Photovoltaikanlagen zu installieren. Die Photovoltaikpflicht besteht seit dem Jahr 2022 bereits bei Neubauten im Wohn- und Nichtwohnbereich. Ab dem 1. Januar 2023 gilt sie nunmehr auch bei einer grundlegenden Dachsanierung eines Gebäudes.
Verankerung des Klimabelangs in weiteren Rechtsvorschriften
Neben den vorstehend aufgeführten Änderungen ist es im Zusammenhang mit dem Erlass des neuen Klimaschutzgesetzes zu Änderungen zu gunsten des Klimaschutzes und der Klimawandelanpassung in weiteren Rechtsbereichen gekommen (u. a. Landesbauordnung, Gemeindeordung, Denkmalschutzgesetz, Landeswaldgesetz, Landeshaushaltsordnung). Herausgegriffen werden sollen zwei Aspekte:
Erstens werden durch Änderung der Gemeindeordnung bestehende Ermächtigungen der Gemeinden zum Erlass vom Satzungen um eine Rechtsgrundlage für die Verabschiedung von Ortsrecht zugunsten des Ausbaus der erneuerbaren Energien und zur Regelung des Anschlusses und der Benutzung von Einrichtungen zur Versorgung mit Nah- und Fernwärme in der Gemeindeordnung ergänzt (§ 11 Abs. 3 GO).
Zweitens wird im Haushaltsrecht ein allgemeines Gebot zur angemessenen Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten im Rahmen des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verankert. § 7 Abs. 1 Satz 1 der Landeshaushaltsordung liest sich nun: „Bei der Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans sind die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit unter angemessener Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten zu beachten.“
Ausblick
Mit dem Gesetzespaket rund um das Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz trägt das Land Baden-Württemberg maßgeblich zur Fortentwicklung des Klimaschutzrechtes bei. Es dürfte mehr als wahrscheinlich sein, dass die angeführten Neuerungen als Blaupuase auch die Fortentwicklung der Klimaschutzgesetze anderer Länder dienen werden.