Januar 2024 Blog

Noch 12 Monate bis zur verpflichtenden Liefer­ketten­trans­parenz

Die Verordnung 1115/2023 (EU) über Entwaldung und Waldschädigung (EUDR) ist seit Juni 2023 in Kraft. Verpflichtete Unternehmen müssen die EUDR bis zum 30. Dezember 2024 umsetzen (Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bis zum 30. Juni 2025). Nach einer ersten Runde von FAQ im Juni 2023, hat die Europäische Kommission im Dezember 2023 weitere FAQ veröffentlicht und den Zugang zum Forest Observatory bereitgestellt. Nicht-EU-Unternehmen, die entsprechende Produkte auf den EU-Markt importieren wollen, sollten sich auf umfangreiche Informationsanfragen ihrer europäischen Kunden einstellen.

Die EUDR gilt für die Rohstoffe Rinder, Kakao, Kaffee, Palmöl, Kautschuk, Soja, Holz und die in Anhang I der Verordnung aufgeführten Produkte. Damit sind zahlreiche Schlüsselbranchen betroffen. Die Regelungen erfassen auch internationale Transporte mit relevanten Ersatzteilen zwischen Betriebstätten im EU-In – und Ausland.

Import-/Export- und Handelsverbot bei Nicht-Konformität

Ab dem 30. Dezember 2024 (ab dem 30. Juni 2025 für KMU) dürfen Unternehmen relevante Produkte nur dann auf dem EU-Markt in Verkehr bringen, auf dem EU-Markt bereitstellen oder aus dem EU-Markt exportieren, wenn diese Produkte die Anforderungen der EUDR erfüllen. Die EUDR unterscheidet zwischen Unternehmen, die relevante Produkte importieren, in der EU produzieren und exportieren (Wirtschaftsbeteiligte), und solchen Unternehmen, die diese Produkte auf dem Markt bereitstellen, d.h. verkaufen (Händler). Die EU-Kommission hat nun klargestellt, dass andere (besondere) Zollverfahren als die "Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr", wie das Zolllagerverfahren, die aktive Veredelung und die vorübergehende Verwendung, nicht der EUDR unterfallen. Wiedereinfuhren gelten als Einfuhren.

Um EUDR-konform zu werden, müssen die Produkte entwaldungsfrei oder frei von Schädigung der Wälder sein und in Übereinstimmung mit den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes hergestellt worden sein. Außerdem muss eine Sorgfaltserklärung (Due Diligence Statement - DDS) übermittelt worden sein.

Sorgfaltserklärung und das Informationssystem

Unternehmen, d.h. Nicht-KMU-Händler und Marktteilnehmer, müssen ein DDS an das von der Europäischen Kommission bereitgestellte Informationssystem übermitteln. Nach Angaben der EU-Kommission kann ein DDS innerhalb von 72 Stunden geändert oder gelöscht werden. Eine nachträgliche Änderung oder Löschung ist indes nicht möglich, wenn das DDS zwischenzeitlich verwendet wurde (z.B. von weiteren Teilnehmern in der nachgelagerten Lieferkette). Außerdem wurde klargestellt, dass häufig verwendete Daten noch nicht für künftige Angaben gespeichert werden können. Die EU-Kommission hat angekündigt, die Testphase für das Informationssystem bis Ende Januar 2024 abzuschließen. Es ist aber bereits jetzt klar, dass für Händler und Marktteilnehmer unterschiedliche Eingabemasken existieren werden. Im DDS müssen die Unternehmen die Geolokalisierungsdaten des Grundstücks angeben, auf dem der relevante Rohstoff angebaut und geerntet wurde, bzw. im Falle von Rindern aufgezogen wurden. In Bezug auf komplexe Abbausituationen erklärte die EU-Kommission, dass alle relevanten Grundstücke angegeben werden müssen, selbst wenn dies im Einzelfall (z. B. im Falle von Soja-Schüttgut aus verschiedensten Quellen) bedeutet, dass mehr als 100 Grundstücke angegeben werden müssen. Darüber hinaus muss in dem DDS die Einhaltung der Sorgfaltspflichten gemäß der EUDR bestätigt werden. Diesbezügliche Nachweise und Informationen müssen nicht über das Informationssystem eingereicht werden, sollten von Unternehmen aber für den Fall der behördlichen Überprüfung der Einhaltung der Sorgfaltspflichten dokumentiert werden.

Umfassende Sorgfaltspflichten

Gemäß Artikel 8 der EUDR sind Unternehmen verpflichtet, umfassende Informationen zu sammeln, eine Risikoanalyse durchzuführen und Risikominderungsmaßnahmen zu ergreifen sowie alle Maßnahmen zu dokumentieren. Die EU-Kommission stellt klar, dass die Sorgfaltspflichten unabhängig von dem zu erwartenden länderspezifischen Risiko der Entwaldung erfüllt werden müssen.

In einem ersten Schritt müssen Unternehmen Informationen sammeln. Dies betrifft die bereits erwähnten Geolokalisierungsdaten und allgemeine Informationen über die Rohstoffe und Produkte, wie HS-Code, Gewicht und Maße, aber auch Datum/Dauer und Umfang der Produktion. Die EU-Kommission betonte, dass jedes relevante Produkt, das auf den europäischen Markt gelangt, bis zu seinem Ursprung zurückverfolgt werden soll und - im Falle von Massengütern - nicht mit nicht-konformen Produkten vermischt sein darf. Aus den gesammelten Informationen muss hervorgehen, dass die Produkte frei von Abholzung oder, im Falle von Holz, auch frei von Schädigung sind und in Übereinstimmung mit der einschlägigen Gesetzgebung des Herkunftslandes produziert wurden.

Das Ausmaß der Entwaldung und Waldschädigung eines Grundstücks kann nun durch das Forest Observatory ermittelt werden, das die Europäische Kommission im Dezember bereitgestellt hat. Die EU-Kommission betonte, dass das Forest Observatory nicht bindend und nicht abschließend ist. In der aus Satellitenbildern und anderen Informationen bestehenden Datenbank wird insbesondere angezeigt, ob die Entwaldung eines Gebiets nach dem 31. Dezember 2020 stattgefunden hat. Die EU-Kommission hat klargestellt, dass Waldschädigung eine strukturelle Veränderung des Waldes - meist eine Umwandlung in Plantagen - bedeutet. Das Forest Observatory gibt verschiedene Arten von Waldveränderungen an, z.B. durch Feuer oder Störungen. Aufgrund der Komplexität der Informationen sollten sich Unternehmen frühzeitig mit diesen vertraut machen.

Obwohl die Liste der relevanten Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes umfangreich und abstrakt ist, hat die EU-Kommission sie noch nicht umfassend definiert. Stattdessen kündigte die EU-Kommission an, dass zu gegebener Zeit detaillierte Leitlinien zur Verfügung gestellt werden. Außerdem enthalte die EUDR lediglich eine "nicht erschöpfende Liste von Rechtsvorschriften"; sämtliche Vorschriften sollten aber in Bezug auf den Produktionsbereich beurteilt werden. Laut Kommission bezieht sich Umweltschutz auf den "Schutz der Wälder, die Reduzierung der Treibhausgasemissionen oder den Schutz der biologischen Vielfalt". Die Kommission betonte, dass insbesondere z.B. offizielle Aufzeichnungen, Gerichtsentscheidungen, Genehmigungen, Verträge und offizielle Papiere als Nachweise für die Einhaltung der relevanten Rechtsvorschriften zu sammeln sind.

Die EU-Kommission stellte klar, dass Zertifizierungssysteme nützlich sind, um den Informationsbedarf zu decken - d.h. die Überwachungskette zu gewährleisten. Allerdings dürften sie nur als Ergänzung zur Einhaltung der EUDR betrachtet werden. Um eine lückenlose Informationsübertragung zu ermöglichen, biete sich der Rückgriff auf Zertifikate allerdings an.

Im zweiten Schritt sind die gesammelten Informationen einer Risikoanalyse zu unterziehen, dahingehend, ob das Risiko besteht, dass die EUDR nicht eingehalten wurde. EUDR-Konformität kann dabei nur bei Feststellung eines vernachlässigbaren Risikos erzielt werden. Ähnlich wie im Falle des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) bedeutet dies, dass relevante Lieferanteninformationen mit Risikoindizes verknüpft werden müssen. Unternehmen sollten den Einsatz KI-basierter Tools in Betracht ziehen, um relevante risikobezogene Informationen zu bewerten. 

In einem dritten Schritt müssen Risikominderungsmaßnahmen ergriffen werden. Dazu gehört ein Risikomanagementsystem mit einem verantwortlichen Compliance-Beauftragten - ähnlich dem, was deutsche Unternehmen bereits als Menschenrechtsbeauftragten aus dem LkSG kennen.

Ihre nächsten Schritte

EU-Unternehmen können direkt nach der EUDR verpflichtet sein. Nicht-EU-Unternehmen können als Zulieferer relevanter Rohstoffe und Produkte vertraglich verpflichtet werden, notwendige Informationen zu beschaffen. Die Folgen der EUDR reichen also weit über die Grenzen der EU hinaus.

Um sich möglichst effektiv auf die Vorgaben der EUDR vorzubereiten, sollten Sie klären, ob die EUDR Ihr Unternehmen betrifft. Daher sollten Sie zunächst die von Ihrem Unternehmen verwendeten Warentarifnummern auf Richtigkeit überprüfen. Anschließend erfolgt ein Abgleich mit Anhang I der EUDR zur Identifizierung relevanter Erzeugnisse. Im Zweifelsfall sollte für die konkrete zollrechtliche Einreihung der Waren rechtliche Beratung in Betracht gezogen werden oder eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) beantragt werden.

Unabhängig davon, ob Sie direkt oder als Nicht-EU-Unternehmen indirekt von der EUDR betroffen sind, ist es ratsam, eine Risikoanalyse und ein Risikomanagement zu erstellen, um die Sammlung und Analyse von Informationen zu organisieren, die zukünftig entlang der Lieferkette benötigt werden. Dies bedeutet, dass das Fachwissen über die Sorgfaltspflicht in der Lieferkette mit dem Fachwissen über den Außenhandel kombiniert werden muss. Es lohnt sich, frühzeitig mit der Implementierung zu beginnen!

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