Nun kommt sie doch: Reform der Insolvenzanfechtung verabschiedet
Die Regierungskoalition hat es doch noch geschafft. Am 16. Februar 2017 hat der Bundestag den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform der Insolvenzanfechtung verabschiedet, ein Einspruch des Bundesrates (terminiert ist die Sitzung auf den 10. März 2017) ist unwahrscheinlich. Auf den „letzten Metern“ hat es noch Änderungen gegeben.
Hintergrund
Die nun verwirklichte Gesetzesänderung geht auf eine Initiative verschiedener Wirtschaftsverbände zurück und wurde sogar Gegenstand des Koalitionsvertrages. Die verschiedenen Referenten- und Regierungsentwürfe zur Reform des Insolvenzanfechtungsrechts sind in der Vergangenheit wiederholt überarbeitet und aufgrund von rechts- und fiskalpolitischen Bedenken korrigiert worden. Die von der Bundesregierung zunächst angestrebte „große Reform“ des Anfechtungsrechts ist zwischenzeitlich erheblich verkleinert worden, gerade auch getrieben von der Sorge, durch eine zu starke Beschneidung des Anfechtungsrechtes den alten Zustand zu Zeiten der Konkursordnung wieder herzustellen (im Gegensatz zur KO werden nach der InsO 25% mehr Verfahren eröffnet).
Die Änderungen
Die wesentlichen Änderungen betreffen den zeitlichen und sachlichen Anwendungsbereich des § 133 InsO unter Einschluss einer Sonderregelung für Ratenzahlungsvereinbarung, die Neuordnung des Bargeschäftsprivilegs und der Abschaffung einer Verzinsung ab Verfahrenseröffnung. Wie von uns bereits berichtet, hat der Gesetzgeber die Abschaffung der Anfechtbarkeit von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in den letzten 3 Monaten vor Antragstellung nicht weiterverfolgt. Hier war von sachverständiger Seite vor einem „Fiskus“-Privileg gewarnt worden, da gerade die Finanzverwaltung (und die Sozialversicherungsträger) sich die zur Zwangsvollstreckung notwendigen Titel selbst schaffen können. Die wesentlichen Neuregelungen sind:
- Im Rahmen der Vorsatzanfechtung wurde der mögliche Anfechtungszeitraum von bisher 10 Jahren auf 4 Jahre verkürzt, sofern durch die anfechtbare Handlung eine „Befriedigung gewährt“ worden ist, d.h. also Erfüllung, z.B. durch Zahlung.
- Nach neuem Recht greift die Vorschrift erst ein, wenn der spätere Insolvenzschuldner zahlungsunfähig ist, sofern die Gegenleistung „kongruent“ ist, d.h. der Gläubiger einen Anspruch auf diese Leistung in der vereinbarten Weise hatte. Bisher war es möglich, bereits im Stadium der sog. „drohenden Zahlungsunfähigkeit“ Anfechtungen durchzuführen, was nunmehr nur noch bei „inkongruenten“ Leistungen möglich bleibt.
- Für den Fall, dass Gläubiger Zahlungserleichterungen (z.B. Ratenzahlungsvereinbarung) mit den Schuldnern getroffen haben, wird (widerleglich) vermutet, dass der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit nicht gekannt hat.
- Das Bargeschäftsprivileg des § 142 InsO wird dahingehend erweitert, dass nunmehr nur noch eine Anfechtung der hierauf geleisteten Zahlungen möglich ist, wenn der Schuldner „unlauter“ gehandelt hat.
- Die Verzinsung des Anfechtungsanspruches wird an die gesetzlichen Verzugsregelungen angekoppelt, d.h. erst nachdem der Verwalter den Anspruch geltend macht und den Verzug des Gläubigers begründet hat, ist der Anspruch zu verzinsen. Bisher war der Anspruch unabhängig vom Zeitpunkt der Geltendmachung ab Verfahrenseröffnung zu verzinsen.
- Im Vergleich zu den bisherigen Entwürfen ist neu die Kappung der Verzinsung auch für Altverfahren. So wird der Zinslauf mit Inkrafttreten des Gesetzes unterbrochen und fängt dann erst an weiter zu laufen, wenn die Ansprüche geltend gemacht werden (bestehende Zinsansprüche bis zum Inkrafttreten des Gesetzes bleiben erhalten).
- Arbeitnehmer werden neben einer Kodifikation der Rechtsprechung des BAG nunmehr auch ausdrücklich bei sog. Drittzahlungen geschützt, bei der ein anderes Unternehmen als der Arbeitgeber den Lohn zahlt (z.B. im Konzern).
- Die neuen Anfechtungsvorschriften gelten allerdings nur für Verfahren, die nach dem Inkrafttreten eröffnet werden.
Praxishinweise
Der wesentliche Mehrwert dieser Reform wird (neben der Abschaffung der Verzinsungsregelung) für die Gläubiger nach unserer Auffassung darin liegen, dass die Änderungen zur Geltung des Bargeschäftsprivilegs den Gläubigern nunmehr die Möglichkeit eröffnen, anfechtungssichere Vereinbarungen mit erkennbar zahlungsunfähigen Schuldnern zu treffen. Ob die weiteren Regelungen tatsächlich ein „Meilenstein“ sind, wie verschiedentlich von Seiten der Gläubigerverbände ausgeführt, wird abzuwarten sein. Auch wenn die Reform die wichtigsten Ungerechtigkeiten beseitigt hat, so tun Gläubiger gut daran, nun nicht allzu blauäugig auf solche Aussagen ihrer Verbände zu vertrauen. Nach hiesiger Auffassung gilt die alte Rechtsprechung für eine Vielzahl von Fallkonstellationen fort. Zu den konkreten Auswirkungen der Reform dürfen wir auf unsere Roadshow mit unseren Insolvenzverwaltern und unseren insolvenzrechtlich spezialisierten Rechtsanwälten hinweisen. In den dortigen Veranstaltungen werden wir die Neuregelung und ihre Auswirkungen ausführlich darstellen.
Ansgar Hain, Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter
Berlin