September 2023 Blog

Revolution der Mitarbeiterbeteiligung durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz?

Das Zukunftsfinanzierungsgesetz („ZuFinG“) soll die bisher bestehenden steuerrechtlichen „Showstopper“ für echte Mitarbeiterbeteiligungen (sog. Employee Share Option Plans – ESOPs) beseitigen. Mitarbeiterkapitalbeteiligungen sollen so attraktiver werden. In der Praxis werden ESOP-Programme virtuelle Mitarbeiterbeteiligungsprogamme (sog. Virtual Share Option Plans – VSOPs) voraussichtlich dennoch nicht flächendeckend ablösen.

Um Mitarbeiter zu incentivieren, setzen deutsche Start-Ups, zumeist in der Rechtsform der GmbH, auf VSOP-Programme. VSOPs zeichnen sich dadurch aus, dass die Beteiligung des Mitarbeiters an der GmbH rein finanziell („virtuell“) nachgebildet wird. Die Mitarbeiter erwerben lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf einen Teil des Erlöses, der im Falle einer Veräußerung (sog. Exit) durch die Gesellschafter erzielt wird. Bei ESOP-Programmen erhalten Mitarbeiter hingegen Optionen, die sie bei Vorliegen bestimmter Ausübungsvoraussetzungen berechtigen, echte Geschäftsanteile an einer GmbH zu erwerben. Im Gegensatz zu VSOP-Programmen werden die Mitarbeiter bei ESOPs im Falle der Optionsausübung zu vollwertigen Gesellschaftern der GmbH.

Steuerrechtliche Neuregelungen durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz

Die verbilligte Überlassung einer Mitarbeiterkapitalbeteiligung an einen Arbeitnehmer stellt für diesen einen geldwerter Vorteil dar, der grundsätzlich sofort zu versteuern ist, obwohl dem Mitarbeiter zunächst keine Gelder zufließen (sog. Dry Income). Um dies zu verhindern, sieht § 19a des Einkommensteuergesetzes (EStG) unter gewissen Voraussetzungen einen Aufschub der Besteuerung vor. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift wird durch das ZuFinG signifikant erweitert und damit deutlich relevanter für die Praxis. Die im Referentenentwurf noch vorgesehene Möglichkeit der Pauschalbesteuerung i.H.v. 25% ist allerdings nicht mehr enthalten und der erhöhte Steuerfreibetrag wird durch eine Sperrfristregelung eingeschränkt.

Ausweitung des Anwendungsbereichs auf „Grown-ups“, „Late stage“- und Wachstumsunternehmen

Nach dem ZuFinG werden die für § 19a EStG maßgeblichen Schwellenwerte vervielfacht: Künftig können alle Unternehmen, die weniger als 1.000 Mitarbeiter beschäftigen, einen Jahresumsatz von höchstens EUR 100 Mio. oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens EUR 86 Mio. erzielen, von den steuerlichen Vergünstigungen profitieren. Zudem wird der Rückschau-Zeitraum von einem auf sechs Jahre erweitert: Sofern das betreffende Unternehmen in einem der letzten sechs Jahre die neuen Schwellenwerte nicht überschritten hat, soll § 19a EStG anwendbar sein. Dies gilt für alle Unternehmen, bei denen bis zu 20 Jahre seit Gründung vergangen sind.

Lösung des Dry Income-Problems

Die Besteuerung des geldwerten Vorteils aus der Beteiligung wird durch die Neuregelung bis zu 20 Jahre aufgeschoben. Das soll auch für bereits übertragene Beteiligungen gelten. Weiterhin sollen sog. Leaver Events, d.h. ein Ausscheiden des Mitarbeiters, oder der Ablauf der Frist von 20 Jahren künftig keine sofortige Besteuerung beim Arbeitnehmer mehr auslösen, wenn der Arbeitgeber unwiderruflich die Lohnsteuerhaftung in Bezug auf die Beteiligung für den Fall der tatsächlichen Anteilsveräußerung übernimmt.

Erhöhung des Steuerfreibetrags und Einführung einer Sperrfrist

Der jährliche Steuerfreibetrag für den Erwerb von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen wird von EUR 1.440 auf EUR 5.000 angehoben. Dieser Steuerfreibetrag fällt allerdings im Ergebnis nachträglich weg, wenn der Arbeitnehmer seine Beteiligung innerhalb von drei Jahren nach der Überlassung veräußert, indem der steuerfreie Betrag von den Anschaffungskosten bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns abgezogen wird.

ESOP vs. VSOP

Auch wenn die steuerrechtlichen Neuregelungen ESOP-Programme attraktiver machen, sind VSOPs weiterhin flexiblere und einfachere Beteiligungsinstrumente.

Eine echte Teilhabe einer Vielzahl von Mitarbeitern an der Gesellschaft – wie sie die Folge im Falle von ESOPs ist – wird weder von Gründern noch Investoren gewünscht sein. Als Gesellschaftern stünden den Mitarbeitern sämtliche gesellschaftsrechtlichen Vermögens- und Mitgliedschaftsrechte zu. Mitarbeiter haben dadurch nicht nur ein Recht auf Gewinnbeteiligung, sondern auch Stimm- und Teilhaberechte in der Gesellschafterversammlung und (umfassender) Auskunfts- und Informationsrechte. In Extremfällen können Mitarbeiter Entscheidungen der Gründer und Investoren beeinflussen oder gar blockieren. Zwar ist denkbar, stimmrechtlose Geschäftsanteile für Mitarbeiter zu schaffen; doch können die Teilhaberechte und umfassenden Informations- und Auskunftsrechte eines Gesellschafters nicht ausgeschlossen werden. Im Falle von VSOPs bestehen solche Vermögens- und Mitgliedschaftsrechte nicht.

Je größer der Gesellschafterkreis einer GmbH ist, insbesondere mit einer Vielzahl von Kleinstbeteiligungen durch eine Vielzahl von Mitarbeitern, desto handlungsunfähiger wird die Gesellschaft. Um die Handlungsfähigkeit zu wahren, kommt eine Bündelung der Mitarbeiter in Stimmrechtspools oder in Mitarbeitergesellschaften in Betracht. Dadurch kann eine koordinierte Stimmrechtsausübung in der Gesellschafterversammlung gewährleistet werden und die Abwesenheit einzelner Gesellschafter (z.B. durch Urlaub) hindert nicht die Beschlussfassung der Gesellschafter. Die Implementierung von Gesellschafterpools oder in Mitarbeitergesellschaften erhöht jedoch den Verwaltungsaufwand.

Auch das Schaffen von für die Mitarbeiter vorgesehenen echten Geschäftsanteilen ist mit einem hohen Aufwand verbunden. Neue Geschäftsanteile können im Rahmen von Kapitalerhöhungen geschaffen werden und den Mitarbeitern angeboten werden. In Gesellschaftsverträgen kann hierfür ein genehmigtes Kapital vorgesehen werden, das die Schaffung neuer Geschäftsanteile etwas vereinfacht. Alternativ kann die Gesellschaft eigene Anteile erwerben, die auf die Mitarbeiter im Falle der Ausübung ihrer ESOP-Optionen übertragen werden. Erforderlich ist hierfür jedoch stets ein notariell beurkundeter Anteilsübertragungsvertrag. Durch die Beurkundungspflicht entstehen entsprechende Notarkosten, die von den Beteiligten zu tragen sind. Aufgrund ihres rein schuldrechtlichen Charakters müssen VSOPs nicht erst geschaffen werden. Es genügt, wenn zwischen begünstigtem Mitarbeitern und der Gesellschaft Zuteilungsvereinbarungen abgeschlossen werden. Diese Zuteilungsvereinbarungen unterliegen keinem Formerfordernis.

Fazit

Trotz der zu begrüßenden steuerrechtlichen Begünstigung von ESOPs bleibt der Verwaltungsaufwand von ESOP-Programmen im Vergleich zu virtuellen Beteiligungen unverändert und für eine Vielzahl von Gesellschaften unverhältnismäßig hoch. Für die Beteiligung einzelner Schlüsselmitarbeiter werden jedoch ESOPs infolge des ZuFinG attraktiver. Das ZuFinG schafft eine weitere Gestaltungsmöglichkeit für Mitarbeiterbeteiligungsprogramme, um diese unter Berücksichtigung aller steuer- und gesellschaftsrechtlichen Vor- und Nachteile für jedes einzelne Unternehmen maßzuschneidern.

Anmeldung zum GvW Newsletter

Melden Sie sich hier zu unserem GvW Newsletter an - und wir halten Sie über die aktuellen Rechtsentwicklungen informiert!