August 2023 Blog

Russland setzt Doppel­be­steuerungs­ab­kommen mit „un­freund­lichen Staaten“ aus – Aus­wir­kung­en auf aus­ländische In­vesti­tionen und Expatriates

Russland hat mit Präsidentenerlass (Ukaz) vom 8. August 2023 Nr. 585 die wesentlichen Bestimmungen der Doppelbesteuerungsabkommen (nachfolgend „DBA“) mit sog. unfreundlichen Ländern ausgesetzt, so etwa Art. 5-22 und Art. 24 des DBA Russland-Deutschland (nachfolgend „DBA Russland“). Die Liste der sog. unfreundlichen Staaten wird von der russischen Regierung festgelegt, regelmäßig geprüft und angepasst. Sie enthält derzeit alle EU-Mitgliedstaaten und 22 weitere Staaten.

Dividendenausschüttungen / Quellensteuern

Es entfällt damit der bei deutschen Gesellschaftern unter bestimmten Voraussetzungen auf 5% reduzierte Quellensteuersatz bei Dividendenausschüttungen. Mithin kommt es grundsätzlich zu einer russischen Quellenbesteuerung von Dividenden in Höhe von 15%.

Nach dem von Seiten Russlands nun nicht mehr angewendeten Art. 11 des DBA Russland wird der Quellensteuersatz für von russischen Gesellschaften an deutsche Gesellschafter zu zahlende Dividenden auf 5% reduziert, wenn der Anteil des deutschen Gesellschafters mindestens 10% Prozent am Stammkapital der russischen Gesellschaft und nominal mindestens 80.000 Euro beträgt.

Für deutsche Unternehmen mit russischen Tochtergesellschaften ist dies insofern problematisch, weil der Cash-Transfer von Russland nach Deutschland bereits vor Aussetzung der DBA stark eingeschränkt war.

Es gelten u.a. Beschränkungen für Darlehensrückzahlungen an ausländische Darlehensgeber mit Sitz in „unfreundlichen“ Staaten durch in Russland ansässige Personen sowie für Dividendenausschüttungen an Gesellschafter mit Sitz in „unfreundlichen“ Staaten: Zahlungsverpflichtungen, die 10 Mio. Rubel pro Monat übersteigen, bedürfen zu ihrer Erfüllung entweder der Zustimmung der Regierungskommission oder sind durch Zahlung auf ein besonderes Konto bei einem russischen Kreditinstitut zu erfüllen, was mangels Auszahlung an den ausländischen Gläubiger nicht zu empfehlen ist.

Für die Zustimmung der Regierungskommission zur Vornahme von Dividendenausschüttungen über einen Betrag von 10. Mio. Rubel im Monat hinaus sind restriktive Voraussetzungen zu erfüllen, die die russische Regierungskommission in einer Verlautbarung vom 7. Juli 2023 wie folgt zusammengefasst hat:

  1. Die Dividendenausschüttung darf 50% des gesamten Nettogewinns des Unternehmens aus dem Vorjahr nicht übersteigen;
  2. Es erfolgt eine retrospektive Analyse der Dividendenzahlungen für die vergangenen Zeiträume;
  3. Der ausländische Gesellschafter muss bereit sein, die kommerziellen Aktivitäten in Russland fortzusetzen;
  4. Standpunkte föderaler Behörden und der Bank Russlands zur Bedeutung des Unternehmens und der Auswirkungen seiner Tätigkeit auf die technologische und produktionstechnische Souveränität sowie die soziale und wirtschaftliche Entwicklung Russlands und seiner Subjekte sind einzuholen und zu berücksichtigen;
  5. Der Antragsteller hat bestimmte Leistungsindikatoren zu erfüllen, die durch föderale Behörden bzw. die Bank Russlands bestätigt wurden;
  6. Es besteht die Möglichkeit, quartalsweise Dividendenzahlungen vorzunehmen, sofern die Leistungsindikatoren erfüllt werden.

Insgesamt ist das Genehmigungsverfahren aufwendig und zeitintensiv.

Andere Gewinnausschüttungen als Dividenden an in Deutschland ansässige Zahlungsempfänger können nach Art. 10 Abs. 4 DBA Russland nur in Deutschland besteuert werden, unterliegen fortan aber ebenfalls der Quellenbesteuerung in Russland i.H.v. 20%.

Zinsen und Lizenzen

Zinsen und Lizenzen, die aus Russland stammen und an eine in Deutschland ansässige Person gezahlt werden, können nach Art 11 bzw. Art. 12 DBA Russland nur in Deutschland besteuert werden.

Da diese Regelungen seitens der Russischen Föderation nun nicht mehr angewendet werden, unterliegen Zinsen und Lizenz nun einer russischen Quellensteuer in Höhe von 20%.

Veräußerungsgewinne

Nach nationalem russischen Steuerrecht unterliegen Einkünfte ausländischer Organisationen aus der Veräußerung von Anteilen an russischen Unternehmen, deren Vermögen zu mehr als 50% aus in Russland befindlichen Immobilien besteht, einer Quellensteuer i.H.v. 20% in Russland. Art. 13 des DBA Russland sieht insoweit eine Quellensteuerbefreiung vor.

Ohne die Anwendung des DBA Russland unterliegen diese Einkünfte der Quellenbesteuerung in Russland i.H.v 20%.

Betriebstätten

Gemäß des ebenfalls ausgesetzten Art. 5 Abs. 3 DBA Russland ist eine Bauausführung oder Montage nur dann eine Betriebstätte, wenn ihre Dauer zwölf Monate überschreitet.

Diese Erleichterung entfällt nun ebenfalls. Demnach hat grundsätzlich eine steuerliche Anmeldung in Russland zu erfolgen, wenn die Tätigkeit des ausländischen Unternehmens in Russland 30 Kalendertage im Jahr überschreitet, Art. 83 Punkt 4 des Steuergesetzbuchs der Russischen Föderation. Ab diesem Zeitpunkt ist somit regelmäßig – bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen (feste Geschäftseinrichtung eines ausländischen Unternehmens in Russland, über den das ausländische Unternehmen seine unternehmerische Tätigkeit nachhaltig in Russland ausübt) vom Vorliegen einer Betriebstätte auszugehen. Der einer russischen Betriebstätte zuzurechnende Gewinn unterliegt der russischen Gewinnsteuer in Höhe von 20%.

Einkünfte aus unselbstständiger Tätigkeit (Arbeitslohn)

Die Einkünfte in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtiger Arbeitnehmer, die ihre Tätigkeit teilweise in Russland ausüben, dürfen nach Art. 14 DBA Russland grundsätzlich nur insoweit in Russland besteuert werden, als die Arbeit dort tatsächlich ausgeübt wird. Zudem wird das russische Besteuerungsrecht vollständig ausgeschlossen, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ gegeben sind:

  • Der Arbeitnehmer hält sich in Russland insgesamt nicht länger als 183 Tage während eines Zeitraums von 12 Monaten auf,
  • die Vergütungen werden von einem in Deutschland ansässigen Arbeitgeber gezahlt und
  • die Vergütungen werden nicht von einer Betriebsstätte oder einer festen Einrichtung (wirtschaftlich) getragen, die der in Deutschland ansässige Arbeitgeber in Russland hat.

Diese Beschränkung des russischen Besteuerungsrechts fällt weg, sodass es zu einer Doppelbesteuerung von Arbeitslohn in Deutschland und Russland kommen kann.

Fortgeltende Vorschriften

Aus russischer Sicht gelten lediglich noch formale Regelungen wie zum Beispiel zu den umfassten Steuern, Begriffsbestimmungen, zum Informationsaustausch und zu Verständigungsverfahren weiter sowie zur Anrechnung ausländischer Steuern.

Zusätzliche Maßnahmen zur Unterstützung russischer Wirtschaftsteilnehmer sollen folgen.

Handlungsempfehlung

Geschäftsbeziehungen bzw. Beteiligungen mit Bezug zu Russland sollten hinsichtlich der potentiell höheren Steuerlast und Anpassungsbedarf geprüft werden. So können insbesondere Änderungen bei sog. tax gross up-Klauseln sinnvoll sein. Zudem sollte geprüft werden, inwieweit Entlastungsmaßnahmen in Deutschland möglich sind und welche Voraussetzungen hierfür zu erfüllen sind.

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