Seit 13. Juni 2014 neue Vorgaben für Verbrauchergeschäfte in Kraft
Unternehmen müssen seit dem 13. Juni 2014 einige neue gesetzliche Regelungen bei Geschäften mit Verbrauchern beachten, insbesondere zum Widerrufsrecht und den Informationspflichten. Wer diese Vorgaben nicht einhält, riskiert kostenpflichtige Abmahnungen von Verbraucherschutzverbänden oder Wettbewerbern, zudem läuft das Widerrufsrecht bei unzureichender Belehrung ein Jahr länger.
Die neuen Regelungen entstammen im Wesentlichen der europäischen Richtlinie über Rechte der Verbraucher aus dem Jahr 2011 (VRRL), die durch das Gesetz zur Umsetzung der VRRL vom Juni 2013 nunmehr in das deutsche Recht umgesetzt worden sind. Bei der praktischen Gestaltung der neuen Widerrufsbelehrung wird schnell deutlich, dass es viele Unsicherheiten gibt, die ohne Kenntnis der Gesetzesbegründung und der VRRL selbst kaum zu lösen sind. Die erhoffte Vereinfachung wird daher allenfalls mit der Zeit kommen.
Den Unternehmen werden zunächst zahlreiche neue Informationspflichten auferlegt, die dem Schutz der Verbraucher dienen sollen: Beispielsweise muss der Verbraucher beim Onlinekauf spätestens bei Beginn des Bestellvorgangs, d.h. noch vor Einlegen der Ware in den virtuellen „Warenkorb“, über die akzeptierten Zahlungsmittel (von denen wenigstens eines kostenfrei sein muss) und den (spätestmöglichen) Liefertermin aufklären, Einschränkungen wie „Lieferung voraussichtlich“ oder „in der Regel“ sind danach nicht mehr zulässig. Neu ist u.a. auch die Pflicht zur Angabe einer Telefonnummer. Bei telefonischer Kontaktaufnahme muss schon bei Beginn des Gesprächs gegenüber dem Verbraucher die Identität des Anrufers offengelegt werden. Zudem sind zahlreiche weitere Informationspflichten zu beachten.
Die Widerrufsfrist sollte durch die neue VRRL europaweit vereinheitlicht und vereinfacht werden. Gemäß § 355 Abs. 2 BGB dauert die Widerrufsfrist 14 Tage und beginnt nur dann mit Vertragsschluss, wenn nichts anderes bestimmt ist. Zusätzlich beginnt die Widerrufsfrist erst nachdem die Widerrufsbelehrung dem Verbraucher korrekt mitgeteilt worden ist. Fehlt eine Widerrufsbelehrung, endet die Widerrufsfrist ein Jahr nach Ende der 14-Tagesfrist.
Leider gibt es einige offene Fragen zu den amtlichen Gestaltungshinweisen zu der Musterwiderrufsbelehrung, durch welche eine Vereinfachung und Rechtssicherheit für den Unternehmer erreicht werden sollte. Insbesondere gibt es drei verschiedene Bestimmungen für den Fristbeginn für Kaufverträge. Die Gestaltungshinweise sehen für den Beginn der Widerrufsfrist neben a) dem Tag des Vertragsschlusses zusätzlich b) den Tag, an dem der Verbraucher (oder ein von ihm benannter Dritter, der nicht der Beförderer ist) die Waren in Besitz genommen hat, also dem Tag der Auslieferung, sowie für getrennte Lieferungen unter einem einheitlichen Vertrag c) den Tag, an dem die letzte Teilsendung oder das letzte Stück ausgeliefert wurde oder d) den Tag, an dem die letzte Ware ausgeliefert wurde vor. Ein Unterschied zwischen c) und d) ist nicht erkennbar. Da in der Widerrufsbelehrung nur eine Alternative ausgewählt werden darf, ist zu empfehlen, stets Variante c) in die Widerrufsbelehrung aufzunehmen, für den Fall, dass die Lieferung aus irgendwelchen Gründen aufgeteilt wird. Wird in der Widerrufsbelehrung nach Variante b) der Tag der Auslieferung genannt, und erfolgt die Übergabe der Waren dann in getrennten Auslieferungen, so ist die Widerrufsbelehrung fehlerhaft und müsste erneut erteilt werden, um die um ein Jahr verlängerte Widerrufsfrist zu vermeiden.
Für Dienstverträge gibt es keine gesonderte Regelung, daher beginnt die Widerrufsfrist ab Vertragsschluss. Allerdings ist zu beachten, dass gemischte Verträge ebenfalls einheitlich als Kaufverträge angesehen werden. Gemäß § 474 Abs. 1 S. 2 BGB gilt als Verbrauchsgüterkauf auch ein „Vertrag, der neben dem Verkauf einer beweglichen Sache die Erbringung einer Dienstleistung durch den Unternehmer zum Gegenstand hat“. Dies geht auf die entsprechende Festlegung in der VRRL zurück. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der kaufvertragliche Teil des Vertrages überwiegt. Sobald auch eine Ware geliefert wird, ist der Vertrag als Verbrauchsgüterkauf zu behandeln. Dies bedeutet, dass dann das Widerrufsrecht nicht ab Vertragsschluss beginnt, sondern ab Auslieferung der letzten Teilsendung/ der letzten Ware.
Werkverträge werden nicht ausdrücklich angesprochen. Der Begriff des Dienstleistungsvertrages in der VRRL erfasst jeden Vertrag, der nicht Kaufvertrag ist und bei dem der Unternehmer für ein Entgelt eine Dienstleistung erbringt. Das Europäische Recht unterscheidet grundsätzlich nicht zwischen Werkverträgen (bei denen ein Erfolg geschuldet wird) und Dienstleistungsverträgen (bei denen eine Tätigkeit erfolgsunabhängig geschuldet wird). Ebenso hat der deutsche Gesetzgeber in der Begründung von § 474 Abs. 2 S. 2 BGB als Beispiele für den dort geregelten gemischten Kauf-Dienstleistungs-Vertrag die Montage der verkauften Ware genannt. Diese wird in der Regel unter einem Werkvertrag geschuldet sein. Daher fallen auch Werkverträge unter die Regelungen für Dienstleistungsverträge. Ausnahme bleibt wie bisher der Werklieferungsvertrag, da dieser die Lieferung herzustellender Waren beinhaltet und daher ebenfalls als Kaufvertrag behandelt wird.
Fazit
Vor dem Hintergrund dieser zahlreichen Unklarheiten und Auslegungsschwierigkeiten darf bezweifelt werden, dass die mit der Umsetzung der VRRL beabsichtigte Vereinheitlichung und Vereinfachung der verbraucherschützenden Regelungen erreicht worden ist. Jedem Unternehmen ist daher anzuraten, im Geschäftsverkehr mit Verbrauchern allergrößte Sorgfalt auf die rechtliche Gestaltung des Vertragsschlusses und der begleitenden Dokumentation zu legen, um nachfolgende Streitigkeiten mit den Kunden oder Verbraucherschutzzentralen bzw. Wettbewerbern sowie eine um ein Jahr verlängerte Widerrufsfrist zu vermeiden.
Philine Peschke, Rechtsanwältin
Dr. Christian Triebe, Rechtsanwalt, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht