Arbeitsverweigerung aus religiösen Gründen
Arbeitsverweigerung aus religiösen Gründen
Ein Arbeitgeber darf einem Mitarbeiter, der die Arbeit aus religiösen Gründen verweigert, kündigen. Das gilt nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aber nur, wenn es keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer gibt.
Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Arbeitnehmer muslimischen Glaubens war in einem großen Einkaufsmarkt tätig. Zunächst arbeitete er acht Jahre als Helfer in einer Autowaschstraße. Dann übernahm ihn der Arbeitgeber als Ladenhilfe und setzte ihn drei Jahre lang in der Getränkeabteilung ein. Vorübergehend arbeitete er auf eigenen Wunsch in der Frischwarenabteilung. Wegen seiner häufigen Erkrankungen in dem gekühlten Bereich beorderte ihn der Arbeitgeber nach einem Jahr zurück in die Getränkeabteilung. Der Mitarbeiter weigerte sich nun, dieser Weisung nachzukommen. Er berief sich dabei auf seinen muslimischen Glauben. Der Koran verbiete ihm nicht nur, selbst Alkohol zu trinken. Er dürfe zudem keinerlei Tätigkeit ausüben, die der Konsumförderung oder der Verbreitung alkoholischer Getränke diene. Wegen der beharrlichen Arbeitsverweigerung kündigte der Arbeitgeber dem Mitarbeiter.
Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage. Das BAG urteilte, dass die Arbeitsverweigerung eines Arbeitnehmers aus religiösen Gründen eine Kündigung rechtfertigen kann. Der Arbeitgeber muss jedoch prüfen, ob er dem Mitarbeiter eine „naheliegende“ andere Tätigkeit zuweisen kann, die im Einklang mit dessen religiöser Überzeugung steht. Erst wenn es keinen Ersatz-Arbeitsplatz gibt, ist die Kündigung wirksam.
Das BAG führt damit seine Rechtsprechung zur Einschränkung des Direktionsrechts des Arbeitgebers zugunsten der Religionsfreiheit der Arbeitnehmer fort. Bereits 2002 entschied es zugunsten einer in einem Kaufhaus angestellten Verkäuferin, die bei ihrer Tätigkeit ein islamisches Kopftuch tragen wollte. Es stellte fest, dass der Arbeitgeber ihr nicht ohne Weiteres die Einhaltung des im Kaufhaus allgemein üblichen Bekleidungsstandards vorschreiben durfte. Die jüngste Entscheidung zeigt, dass ein Arbeitgeber religiöse Überzeugungen seiner Mitarbeiter berücksichtigen muss. Dies gilt sowohl für die Arbeitsbedingungen als auch für das Recht, den Beschäftigten bestimmte Tätigkeiten zuzuweisen.
Das Urteil vom 24.02.2011 ist im Grundsatz positiv für die Arbeitgeberseite. Es betont die verfassungsrechtlich geschützte Unternehmerfreiheit. Der Arbeitgeber ist zur Kündigung berechtigt, wenn ein Arbeitnehmer die ihm zugewiesene Arbeit verweigert. Jedoch kann die ebenfalls grundrechtlich geschützte Religionsfreiheit das Direktionsrecht des Arbeitgebers beschränken. Beruht die Arbeitsverweigerung des Mitarbeiters auf religiösen Gründen, muss dieser genau darlegen, welche Tätigkeiten ihm sein Glaube verbietet. Eine wirksame Kündigung setzt dann voraus, dass es keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Mitarbeiter gibt; eine Umorganisation des Betriebs ist nicht erforderlich.
Die BAG-Entscheidung wirft eine Reihe von praktischen Fragen auf. Dürfen sich Arbeitnehmer auch auf eine andere Weltanschauung berufen? Wo sind die Grenzen? Die Arbeitsgerichte werden demnächst häufiger die Unternehmerfreiheit des Arbeitgebers mit der Religions- bzw. Weltanschauungsfreiheit der Beschäftigten abzuwägen haben. Für Fälle, die dem hier entschiedenen ähneln, gilt: Vor Ausspruch einer Kündigung wegen religiös begründeter Arbeitsverweigerung muss der Arbeitgeber nach einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Betrieb suchen. Fehlt es an einem geeigneten Ersatz-Arbeitsplatz, darf er dem Mitarbeiter kündigen.
(BAG, Urteil vom 24.02.2011, Az. 2 AZR 636/09)
Karsten Kujath, Rechtsanwalt, Frankfurt