Mai 2020 Blog

Rekapi­tali­sie­rungen und nach­rangiges Fremd­kapi­tal: EU-Kom­mis­sion weitet Be­fris­te­ten Rah­men für Corona-Bei­hilfen aus

Die Europäische Kommission hat den Befristeten Rahmen für staatliche Beihilfen zur Unterstützung der Wirtschaft erneut ausgeweitet. Insbesondere können nunmehr in Not geratene Unternehmen, die nicht dem Finanzsektor angehören, Rekapitalisierungen erhalten. Zudem ist es möglich, Unternehmen mit nachrangigem Fremdkapital zu unterstützen. Unternehmen, die sich bereits am 31. Dezember 2019 in Schwierigkeiten befanden, kommen für Beihilfen nach dem Befristeten Rahmen nicht in Betracht.
 
Die Ausweitung des Befristeten Rahmens auf Beihilfen in Form von Rekapitalisierungen schafft für die EU-Mitgliedstaaten eine Alternative zu den nicht unter die Beihilfenkontrolle fallenden Unternehmensbeteiligungen zu Marktpreisen bzw. zu gleichen Bedingungen wie private Anteilseigner. Dies kann Bedeutung erlangen im Fall einer drohenden feindlichen Übernahme strategisch bedeutender Unternehmen durch ausländische Käufer.

Die Mitgliedstaaten müssen diese vom Befristeten Rahmen gedeckten Maßnahmen bei der Kommission anmelden als Rekapitalisierungsregelungen oder Einzelbeihilfen. Bei der Genehmigung von Beihilferegelungen wird die Kommission verlangen, dass Beihilfen für Unternehmen von mehr als 250 Mio. Euro gesondert angemeldet werden.

Erhalten Unternehmen Rekapitalisierungsbeihilfen, müssen die Mitgliedstaaten innerhalb von drei Monaten nach der Rekapitalisierung genaue Angaben zur Identität der begünstigten Unternehmen und zur Höhe der Beihilfen veröffentlichen. Ferner müssen Beihilfeempfänger, bei denen es sich nicht um kleine oder mittlere Unternehmen handelt, Informationen über die Verwendung der erhaltenen Beihilfen veröffentlichen, unter anderem darüber, wie die Tätigkeiten des Unternehmens im Einklang mit den EU-Zielen und den Verpflichtungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich des ökologischen und digitalen Wandels unterstützt werden.

Der Befristete Rahmen stützt sich auf Art. 107 Abs. 3 lit. b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, d.h. er dient der Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben der Mitgliedstaaten. Er gilt in der gesamten Union bis Ende Dezember 2020 bzw. für die neu eingeführten Rekapitalisierungsmaßnahmen bis Ende Juni 2021. Vor Ablauf dieser Fristen wird die Kommission prüfen, ob eine Verlängerung erforderlich ist.

Um unverhältnismäßige Wettbewerbsverzerrungen durch die Rekapitalisierungsbeihilfen zu vermeiden, sieht der Befristete Rahmen vor:  

  • Rekapitalisierungsbeihilfen sollen nur gewährt werden, wenn keine andere geeignete Lösung zur Verfügung steht. Sie müssen auf das zur Gewährleistung der Rentabilität des Empfängers erforderliche Maß beschränkt sein und lediglich die vor dem Covid-19-Ausbruch bestehende Kapitalstruktur der Empfänger wiederherstellen.
  • Der Staat muss für die Risiken, die er durch die Rekapitalisierungsbeihilfe trägt, eine hinreichende Vergütung erhalten. Der Vergütungsmechanismus muss ferner Anreize bieten, die Anteile, die der Staat über Beihilfen erworben hat, zurückzukaufen.
  • Die Beihilfeempfänger und die Mitgliedstaaten müssen eine Ausstiegsstrategie entwickeln. Wenn sechs Jahre nach der Rekapitalisierung börsennotierter Unternehmen bzw. bis zu sieben Jahre bei anderen Unternehmen der Ausstieg des Staates nicht feststeht, muss bei der Kommission ein Umstrukturierungsplan für das begünstigte Unternehmen angemeldet werden.
  • Governance: Bis zum vollständigen Ausstieg des Staates unterliegen die Beihilfeempfänger einem Dividenden- und Aktienrückkaufverbot. Außerdem gilt bis zur Rückzahlung von mindestens 75 Prozent der Rekapitalisierung eine strenge Beschränkung der Vergütung der Geschäftsleitung, einschließlich eines Verbots von Bonuszahlungen. 
  • Verbot der Quersubventionierung und Übernahme: Die Beihilfe darf nicht zur Unterstützung der Wirtschaftstätigkeit integrierter Unternehmen verwendet werden, die sich bereits vor dem 31. Dezember 2019 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befanden. Außerdem dürfen kleine und mittlere Unternehmen grundsätzlich keine Beteiligungen von mehr als zehn Prozent an Wettbewerbern oder anderen Unternehmen im selben Geschäftsfeld erwerben, bis die Rekapitalisierung zu mindestens 75 Prozent zurückgezahlt wurde.

Mit der Änderung des Befristeten Rahmens wird den Mitgliedstaaten ferner die Möglichkeit eröffnet, Unternehmen, die sich aufgrund des Coronavirus-Ausbruchs in finanziellen Schwierigkeiten befinden, zu günstigen Bedingungen mit nachrangigem Fremdkapital zu unterstützen. Neben der Palette von Instrumenten, die den Mitgliedstaaten bereits gemäß dem Befristeten Rahmen in seiner bisherigen Form zur Verfügung stehen – wie etwa der Gewährung von vorrangigem Fremdkapital –, sind unter bestimmten Voraussetzungen nun auch Fremdkapitalinstrumente zulässig, die im Falle eines Insolvenzverfahrens gegenüber gewöhnlichen bevorrechtigten Gläubigern nachrangig bedient werden.

Dr. Gerd Schwendinger
Renata Karina Rehle

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