Oktober 2023 Blog

Was ändert sich durch ESG bei Immobilien? – Update

Als Schlagwort ist ESG (Environmental, Social, Governance) seit einiger Zeit in aller Munde. Dieser Beitrag knüpft an den Beitrag aus Mai 2022 an und gibt einen aktualisierten Überblick über aktuelle und bevorstehende Gesetzesänderungen mit Immobilienbezug.

Aktuelle Gesetzesänderungen
I. Solaranlagenpflicht

Nach dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung sollen

„alle geeigneten Dachflächen künftig für die Solarenergie genutzt werden. Bei gewerblichen Neubauten soll dies verpflichtend, bei privaten Neubauten soll es die Regel werden.“ (Koalitionsvertrag 2021-2025, S. 449)

Eine entsprechende Solaranlagenpflicht ist bereits von 9 Bundesländern (Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pflanz und Schleswig-Holstein) umgesetzt worden. Brandenburg, Bremen und Sachsen planen eine Umsetzung zurzeit.

Bisher nicht geplant ist eine Solaranlagenpflicht lediglich in Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Die konkrete Ausgestaltung der Solaranlagenpflichten unterscheidet sich dabei von Bundesland zu Bundesland erheblich. An die Solaranlagenpflicht schließen sich verschiedene Folgefragen in Bezug auf die konkrete Umsetzung, den Betrieb und die damit im Zusammenhang stehenden Geschäftsmodelle an. Die divergierenden Interessenlagen zwischen Eigentümer, Mieter und Anlagenbetreiber sind bei der vertraglichen Gestaltung zu berücksichtigen und die betreffenden Verträge entsprechend aufeinander abzustimmen. Gleichzeitig gehen mit der Solaranlagenpflicht insbesondere in Bezug auf die Stichworte Mieterstrom und den Betrieb von Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität eine Vielzahl von Chancen einher. Auch im Hinblick auf die Bewertung einer Immobilie als „nachhaltig“ im Sinne der Taxonomie- und Offenlegungsverordnungen spielen Solaranlagen eine Rolle.

II. Energieeffizienzgesetz

Das überarbeitete EnEfG legt Ziele für die Senkung des Primär- und Endenergieverbrauchs in Deutschland für 2030 fest und tritt am Tag nach seiner Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft. Zudem sieht das EnEfG die Einführung von Energie- und Umweltmanagementsystemen für energieintensive Unternehmen vor. Darüber hinaus setzt das Gesetz Energieeffizienzstandards und macht Vorgaben für den Energieverbrauch von Rechenzentren.

Bevorstehende Gesetzesänderungen

I. Nachhaltigkeitsberichtserstattung

Die Corporate Sustainablity Reporting Directive („CSRD“), die bis zum 6. Juli 2024 in deutsches Recht umzusetzen ist, verpflichtet Unternehmen anhand sogenannter Berichterstattungsstandards (ESRS – European Sustainability Reporting Standards) über Nachhaltigkeitsbelange zu berichten. Auch wenn von den Berichterstattungspflichten nur einige der in der Immobilienbranche tätigen Unternehmen unmittelbar betroffen sein werden, ist ähnlich des LkSG mit einer Weitergabe der Verpflichtungen innerhalb der Vertragskette zu rechnen bzw. ist diese aus Sicht der berichtspflichtigen Unternehmen zwingend erforderlich, um an die benötigten Informationen zu gelangen.

II. Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden

Die EU-Kommission hat im Dezember 2021 einen Vorschlag zur Neufassung der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden („Gebäude-Richtlinie“) vorgelegt. Am 14. März 2023 verabschiedete das Europäische Parlament einen eigenen Vorschlag zur Gebäude-Richtlinie. Der Vorschlag des Europäischen Parlaments wurde als weitere Verschärfung des Kommissionsentwurfs wahrgenommen.

Der Vorschlag des Europäischen Parlaments sieht u.a. Regelungen zum Nullemissionsgebäude als Neubaustandard ab 2030, eine europaweite Vereinheitlichung des Energieausweises, neue Mindeststandards für die Energieeffizienz eines Gebäudes und damit verbundene Sanierungspflichten vor.

Bis zum Jahr 2030 sollen danach alle Wohnhäuser mindestens die Energieeffizienzklasse "E" und bis 2033 mindestens die mittlere Energieeffizienzklasse "D" erreichen. Bei den in Klasse "G" eingestuften Gebäuden handelt es um die 15 Prozent der ineffizientesten Gebäude eines Landes. Privatwirtschaftlich genutzte Nichtwohnbauten müssen ab dem 1. Januar 2027 mindestens die Gesamtenergieeffizienzklasse E und ab dem 1. Januar 2030 mindestens die Gesamtenergieeffizienzklasse D erreichen.

Gegenwärtig laufen Abstimmung zwischen den EU-Staaten und den Institutionen der Europäischen Union. Die Entwicklung der Richtlinie muss bereits aufgrund ihres breiten Regelungsumfangs zwingend im Blick behalten werden.

III. Bauprodukte-Verordnung

Am 30. März 2022 legte die EU-Kommission einen Vorschlag zur Überarbeitung der Bauprodukteverordnung vor. Der Kommissionsentwurf sieht eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Verordnung vor. Zudem ist die Einführung einer EU-Bauprodukte Datenbank geplant. Hinzutreten ergänzende Deklarationspflichten in Bezug auf verschiedene Ökobilanzindikatoren.

Das Europäische Parlament stellte dieser einen eigenen Vorschlag gegenüber. Die Verordnung befindet sich gegenwärtig ebenfalls im Trilog zwischen Kommission, Europäischem Parlament und Rat. Auch diese Verordnung ist auch und gerade im Hinblick auf den erweiterten Anwendungsbereich im Blick zu behalten.

IV. Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR)

Am 29. Juni 2023 ist die Verordnung (EU) 1115/2023 über entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) in Kraft getreten. Sie wird zum 30. Dezember 2024 die Holzhandelsverordnung ablösen und deren Regelungen erheblich erweitern. Betroffen sind unter anderem die für die Immobilienindustrie relevanten Rohstoffe Holz und Kautschuk sowie bestimmte in Anhang I der Verordnung genannten Erzeugnisse. Damit sind Lagerholz und Möbel erfasst; ähnlich wie Platten, Blätter, Streifen, Stäbe, Stangen und Profile aus Weichkautschuk. Werden entlang der Baulieferkette z.B. betroffene Kautschuk Einzel- oder Ersatzteile vertrieben, ist die Verordnung anwendbar. Für relevante Rohstoffe und Erzeugnisse gilt, dass diese nicht in Verkehr gebracht, bereit gestellt oder ausgeführt werden dürfen, wenn sie nicht entwaldungsfrei und entsprechend der Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erzeugt wurden und wenn für sie keine Sorgfaltserklärung vorliegt. Unternehmen die ausführen und in Verkehr bringen (sogenannte Marktteilnehmer) sowie Händler, die keine kleineren und mittleren Unternehmen sind, müssen umfassende Sorgfaltspflichten erfüllen – mit umfasst ist eine umfangreiche Informationssammlung, inklusive der Geolokalisierungsdaten des Grundstücks, auf dem der Rohstoff abgebaut wurde. Auf diese umfassende Lieferkettentransparenz bis Ende 2024 sollten sich Unternehmen vorbereiten.

V. CO2-Bepreisung von Baustoffen aus dem Ausland (CBAM)

Seit dem 1. Oktober 2023 gelten erste Bestimmungen der Verordnung (EU) 2023/956 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Mai 2023 zur Schaffung eines CO2-Grenzausgleichssystems (CBAM-VO). In einem Übergangszeitraum bis zum 31. Dezember 2025 müssen Einführer bestimmter Waren quartalsweise an die EU berichten, welche Menge an Treibhausgasemissionen bei der Herstellung der Produkte freigesetzt wurde. Erfasst sind unter anderem die für die Baubranche relevanten Warengruppen Zement und seine Vorprodukte (insb. Klinker), eine Vielzahl an Stahlprodukten (bspw. Konstruktionsteile, Bolzen, Schrauben, Rohre) sowie Aluminium (z.B. Aluminiumprofile, Aluminiumfolien). Bezieht ein Bauunternehmen diese Waren aus Drittstaaten außerhalb der EU, ist es zur Abgabe der CBAM-Berichte verpflichtet. Der erste Bericht ist spätestens am 31. Januar 2023 abzugeben und umfasst alle Einfuhren dieser Waren zwischen 1. Oktober 2023 und 31. Dezember 2023. Aktuell folgt den Berichtspflichten noch keine Pflicht zum Kauf von CO2-Zertifikaten (genannt: CBAM-Zertifikate). Für Einfuhren dieser Waren ab 1. Januar 2026 müssen jedoch für die Treibhausgasemissionen (ausgedrückt in CO2-Äquivalenten), die in die Herstellung der Waren geflossen sind, CBAM-Zertifikate erworben werden. Die Anzahl der zu erwerbenden Zertifikate steigt jährlich; im Jahr 2034 ist eine Vollkompensation vorgesehen.

Für Unternehmen der Immobilienbranche bedeutet dies vor allem gesteigerte Kosten bei der Beschaffung von Waren aus Drittländern. Hier sollte aufgrund des sehr engen Zeitplans frühzeitig geprüft werden, ob Beschaffungswege anzupassen sind und wie die Berichtspflichten erfüllt werden können. Bei der Entwicklung von Neuprojekten sind die durch CBAM und die parallel stattfindende Anpassung des EU-Emissionshandelssystems zu erwartenden Kostensteigerungen zu berücksichtigen.

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