Steuerliche Änderungen zum Jahreswechsel 2024

Der Gesetzgeber hatte in dem sog. Wachstumschancengesetz eine ganze Reihe von Änderungen geplant, die teilweise bereits in 2023 in Kraft treten sollten (siehe hierzu unseren Überblick aus September 2023). Nachdem der Bundestag dem Gesetzentwurf zugestimmt hatte, rief der Bundesrat am 24. November 2023 den Vermittlungsausschuss an. Eine Einigung war in 2023 jedoch nicht mehr möglich, so dass nur ein Bruchteil der ursprünglich vorgesehenen Änderungen durch eine Überführung in das Kreditzweitmarktförderungsgesetz noch rechtzeitig in 2023 verabschiedet werden konnten. Nachfolgend geben wir Ihnen einen Überblick über die zum 1. Januar2024 in Kraft getretenen wesentlichen neuen steuerlichen Regelungen:

Die Regelungen zur steuerlichen Abzugsfähigkeit von Zinsen (sog. Zinsschranke) mussten bis Ende 2023 an die Vorgaben der EU-Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD) angepasst werden, so dass auch sie gemeinsam mit den erforderlichen Anpassungen aufgrund des MoPeG im Rahmen des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes noch in 2023 verabschiedet wurden.

  • In § 4h EStG wurde u.a. eine Definition der „Nettozinsaufwendungen“ (Zinsaufwendungen abzüglich Zinserträge) aufgenommen und der Begriff der Zinsaufwendungen ausgeweitet. Als Zinsaufwendungen gelten danach auch „wirtschaftlich gleichwertige Aufwendungen und sonstige Aufwendungen im Zusammenhang mit der Beschaffung von Fremdkapital“. Umfasst sind damit auch kapitalisierte Zinsen (bspw. Bauzeitzinsen) sowie Bereitstellungs- und Bearbeitungsgebühren und Finanzierungskosten im Rahmen von Finanzierungsleasingverträgen.
  • Auch die Ausnahmeregelungen zur Zinsschranke wurden modifiziert:
    • Nach der sog. Stand-alone-Klausel findet die Zinsschranke von vorneherein keine Anwendung. Diese greift künftig jedoch nur noch dann, wenn der Steuerpflichtige (bzw. bei Betrieben von Personengesellschaften/Mitunternehmerschaften die Personengesellschaft/Mitunternehmerschaft) keiner Person i.S.v. § 1 Abs. 2 AStG nahesteht und über keine Betriebsstätte außerhalb des Staates seines Wohnsitzes, gewöhnlichen Aufenthalts, Sitzes oder seiner Geschäftsleitung verfügt. Die Ausnahme von der Zinsschranke ist demnach nicht anwendbar, wenn ein Anteilseigner eine Beteiligung von mindestens 25% an dem betreffenden Unternehmen hält. Damit erfolgt eine erhebliche Erweiterung des Anwendungsbereichs der Zinsschranke, z.B. auf Verbriefungsgesellschaften.
    • Der sog. Eigenkapital-Escape sieht vor, dass die Zinsschranke nicht angewendet wird, wenn die Eigenkapitalquote eines konzernzugehörigen Betriebs nicht niedriger als die des Konzerns ist (Unterschreiten um bis zu 2%-Punkte akzeptiert). Die Konzernzugehörigkeit für Zwecke der Zinsschranke ist künftig nur noch gegeben, wenn der Betrieb nach dem zugrunde gelegten Rechnungslegungsstandard tatsächlich mit einem oder mehreren anderen Betrieben konsolidiert wird – die bloße Möglichkeit ist nicht ausreichend. Zudem reicht für die Konzernzugehörigkeit nicht aus, wenn lediglich die Finanz- oder Geschäftspolitik mit einem oder mehreren anderen Betrieben einheitlich bestimmt wird. Auch der Ausschlussgrund für den Eigenkapital-Escape nach § 8a Abs. 3 KStG, die sog. schädliche Gesellschafterfinanzierung, wurde verschärft: Der Eigenkapital-Escape greift demnach künftig auch dann nicht, wenn Zinszahlungen an einen oder mehrere Anteilseigner mit einer Beteiligung von jeweils mindestens 25% insgesamt mehr als 10% der gesamten Zinsaufwendungen des Unternehmens übersteigen.
  • Zinsvorträge aus Vorjahren sind nur noch eingeschränkt nutzbar: Eine Verrechnung von Zinsvorträgen ist nur möglich, wenn ausreichendes EBITDA vorhanden ist. Nach der Neuregelung gehen Zinsvorträge zudem unter, wenn ein Teilbetrieb aufgegeben oder übertragen wird oder ein Mitunternehmer ausscheidet.
  • Aufgrund der Kritik im Gesetzgebungsverfahren ist die sog. Anti-Fragmentierungsregelung nicht übernommen worden. Der Entwurf sah vor, dass der Freibetrag für gleichartige Betriebe, die unter einheitlicher Leitung stehen bzw. von einer Person/Personengruppe beherrscht werden nur einmal gewährt wird, um zu vermeiden, dass der Freibetrag durch Aufteilung auf mehrere Betriebe („Fragmentierung“) mehrfach in Anspruch genommen werden kann.

Mit Inkrafttreten des MoPeG (Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts, BGBl. I 2021, 3436) zum 1. Januar2024 wurden grundlegende Änderungen im Gesellschaftsrecht eingeführt. Ein Kernelement ist die Abschaffung des Begriffs der Gesamthand im BGB. Der MoPeG-Gesetzgeber hatte zwar klargestellt, dass sich hierdurch im Ertragsteuerrecht keine Änderungen ergeben sollen. Es bestand jedoch eine erhebliche Verunsicherung, welche Folgen sich für andere Steuerarten, in denen ebenfalls auf die Gesamthand Bezug genommen wurde, ergeben würden. Es wurden daher eine Reihe von Anpassungen in den Steuergesetzen vorgenommen. Hierbei handelt es sich zwar überwiegend um redaktionelle Anpassungen. Es gibt aber auch inhaltliche Änderungen, von denen wir hier die wichtigsten kurz vorstellen:

  • Der neue § 14a AO enthält eine für sämtliche Steuergesetze geltende Definition des Begriffs der Personenvereinigung. Es wird unterschieden zwischen rechtsfähigen und nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen:
    • Rechtsfähige Personenvereinigungen sind nach § 14a Abs. 2 AO insbesondere: Rechtsfähige Personengesellschaften, wie Gesellschaften bürgerlichen Rechts, Personenhandelsgesellschaften (z.B. oHG, KG), Partnerschaftsgesellschaften, Partenreedereien und Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigungen; Vereine ohne Rechtspersönlichkeit und Wohnungseigentümer-Gemeinschaften.
    • Nicht rechtsfähige Personenvereinigungen sind nach § 14a Abs. 3 AO insbesondere: Bruchteilsgemeinschaften, Gütergemeinschaften und Erbengemeinschaften.
  • Die Differenzierung hat verfahrensrechtlich insbesondere Bedeutung für die Bekanntgabe- und Erklärungsvorschriften bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung:
    • Bei rechtsfähigen Personenvereinigungen haben die gesetzlichen Vertreter die steuerlichen Pflichten zu erfüllen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 AO n.F.), also auch vorrangig die Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung abzugeben (§ 181 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) AO n.F.). Alle Verwaltungsakte im Zusammenhang mit der gesonderten und einheitlichen Feststellung sind vorrangig der Gesellschaft bekannt zu geben (§ 183 AO n.F.). Auch ein etwaiger Verspätungszuschlag ist vorrangig gegen die Gesellschaft festzusetzen (§ 152 Abs. 4 Satz 2 AO n.F.).
    • Bei nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen bleibt es bei den bisherigen Regelungen für Bekanntgabe und Erklärungspflicht; alle Feststellungsbeteiligten sind erklärungspflichtig (§ 181 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) AO n.F.) und die Bekanntgabe der gesonderten und einheitlichen Feststellung soll an einen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten erfolgen (§ 183a AO n.F.).
  • Diese geänderten Erklärungspflichten und Bekanntgaberegelungen gelten grundsätzlich für alle ab 2024 einzureichenden Feststellungserklärungen bzw. Feststellungsbescheide. Während einer Übergangsfrist bis zum 31. Dezember2025 werden aber auch Erklärungen von und Bekanntgaben an die bisher verpflichteten Personen akzeptiert (§ 39 EGAO n.F.).
  • Auch für das Vollstreckungsverfahren (§ 267 AO n.F.) und für die Einspruchsbefugnis (§ 352 AO n.F.) ist die Unterscheidung zwischen rechtsfähiger und nicht rechtsfähiger Personenvereinigung von Bedeutung.
  • Auch die Regelungen zur Klagebefugnis vor den Finanzgerichten wurden an diese Differenzierung angepasst (§ 48 FGO n.F.).
  • Nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO n.F. wird das Gesamthandsprinzip für steuerliche Zwecke einschließlich der anteiligen Zuordnung von Wirtschaftsgütern ausdrücklich fortgeführt und festgeschrieben, dass rechtsfähige Personengesellschaften für Zwecke der Ertragsbesteuerung als Gesamthand gelten. Dies sah im Ergebnis bereits die Gesetzesbegründung zum MoPeG vor, hatte dies aber nicht in den Gesetzestext selbst aufgenommen. Diese Klarstellung gilt für alle Steuerarten, in denen die sog. wirtschaftliche Betrachtungsweise nach § 39 Abs. 2 AO anerkannt ist.
  • Da im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht die wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht generell angewendet wird, enthält der neue § 2a ErbStG eine entsprechende Regelung. Danach gelten rechtsfähige Personengesellschaften (§ 14a Abs. 2 Nr. 2 AO n.F.) für Zwecke des ErbStG weiterhin als Gesamthand. Es bleibt mithin „beim Alten“.

Offen ist allerdings, ob die Steuerbefreiung für das sog. Familienheim (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a, 4b, 4c ErbStG) auch dann gilt, wenn das Familienheim – wie in der Praxis häufig – von einer Ehegatten-GbR gehalten wird. Hierzu ist derzeit ein Verfahren vor dem BFH anhängig (Az. II R 18/23).

  • Bei der Grunderwerbsteuer hatte die Gesetzesbegründung zum Wachstumschancengesetz zu erheblichen Verunsicherungen geführt (siehe dazu unseren Blog-Beitrag aus September 2023). Dies betraf die Steuerbefreiung für Grundstücksübertragungen zwischen einer Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern bzw. umgekehrt nach §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG. § 24 GrEStG n.F. regelt nun, dass rechtsfähige Personengesellschaften i.S.d. § 14a Abs. 2 Nr. 2 AO n.F. für Zwecke der Grunderwerbsteuer als Gesamthand gelten. Damit bleibt es – zunächst für einen Übergangszeitraum von drei Jahren – nun bei der bisherigen Rechtslage.  

Die Befristung ist vor dem Hintergrund einer geplanten grundlegenden Novellierung des Grunderwerbsteuerrechts ergangen. Hier hat der Gesetzgeber nun Zeit gewonnen, die Novellierung zum Abschluss zu bringen, die das Grunderwerbsteuerrecht möglicherweise auf komplett neue Grundlagen stellen wird.

Mit dem sog. Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG) wurde der Anwendungsbereich für Steuerbegünstigungen bei Mitarbeiterkapitalbeteiligungen in § 19a EStG erheblich ausgeweitet (siehe dazu auch unsere Blog-Beiträge aus September 2023 und Mai 2023).

  • Es werden nun alle Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitern, einem Jahresumsatz von höchstens EUR 100 Mio. oder einer Jahresbilanzsumme von höchstens EUR 86 Mio., die vor maximal 20 Jahren gegründet wurden, vom Anwendungsbereich des § 19a EStG erfasst. Damit sollen deutlich mehr Mitarbeiter von der Möglichkeit profitieren, vergünstigt Beteiligungen an ihrem Arbeitgeber-Unternehmen zu erwerben.
  • Das Problem der Besteuerung des Vorteils aus der verbilligten Überlassung der Mitarbeiterbeteiligung an die Mitarbeiter ohne Zufluss von Einnahmen zur Deckung der Steuer (sog Dry Income) wurde dadurch gelöst, dass die Besteuerung nunmehr bis zu 15 Jahre aufgeschoben wird bzw. erst dann erfolgt, wenn der Mitarbeiter den Anteil veräußert. Wenn das Dienstverhältnis beendet wird, fällt die Steuer nun ebenfalls nicht mehr sofort an, wenn der Arbeitgeber unwiderruflich die Haftung für die Lohnsteuer übernimmt.  
  • Der Steuerfreibetrag für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen wurde zudem von EUR 1.400 auf EUR 2.000 erhöht.

Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz wird die Umsatzsteuerbefreiung auf Fondsverwaltungsleistungen für die Verwaltung sämtlicher alternativer Investmentfonds i.S.d. § 1 Abs. 3 KAGB (AIF) unabhängig von der Regulierung des AIFM (Kapitalverwaltungsgesellschaft des AIF) sowie der Qualifikation der Anleger anstelle nur bestimmter Investmentvermögen erweitert (bisher galt die Umsatzsteuerbefreiung nur für die Verwaltung von Investmentfonds i.S.d. OGAW-Richtlinie und von mit diesen vergleichbaren AIFs sowie von Wagniskapitalfonds). Damit erfolgt eine Angleichung an die Umsatzsteuerregelungen anderer EU-Mitgliedstaaten, wie z.B. Luxemburg.

Zum 1. Januar 2024 ist das Mindeststeuergesetz in Kraft getreten. Soweit bei einem internationalen Konzern im Ausland eine effektive Gewinnsteuer von weniger als 15 % erhoben wird, soll in Deutschland eine ergänzende Besteuerung erfolgen. Der effektive Mindeststeuersatz soll 15 % betragen. Das MinStG ist komplex. Es besteht aus mehr als hundert Paragrafen. Technisch setzt es sich aus drei Komponenten zusammen: der Primärergänzungssteuer, der Sekundärergänzungssteuer und der nationalen Ergänzungssteuer.

Das Mindestbesteuerungsregime findet Anwendung auf Unternehmensgruppen, bei denen in den Konzernabschlüssen der Konzernspitzengesellschaft in mindestens zwei der vier vorangegangenen Geschäftsjahre ein weltweiter Umsatz von EUR 750 Mio. ausgewiesen ist. Ausgangspunkt des Mindestbesteuerungsregimes ist die Ermittlung des sogenannten effektiven Steuersatzes für die Geschäftseinheiten in den unterschiedlichen Staaten, der einer eigenen im MinStG niedergelegten Systematik folgt. Das Bundesministerium der Finanzen hat noch keinen Erlass zum MinStG veröffentlicht, so dass es aktuell noch zahlreiche Zweifelsfragen gibt, die eine sorgfältige Prüfung bei gleichzeitig pragmatischer Vorgehensweise erforderlich machen, um den erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand zu bewältigen.