Drittlandssubventionen: Neue FSR-Durchführungsverordnung – was kommt auf Unternehmen zu?
Am 12. Juli 2023 wurde im EU-Amtsblatt die neue Durchführungsverordnung (EU) 2023/1441 der Europäischen Kommission vom 10. Juli 2023 über Verfahren nach der Verordnung (EU) 2022/2560 über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen (Foreign Subsidies Regulation, FSR) veröffentlicht. Dieser Beitrag beleuchtet deren Relevanz für Unternehmen.
Hintergrund
Die FSR sieht eine obligatorische und aufschiebende Voranmeldepflicht für Unternehmen in Bezug auf bestimmte M&A-Transaktionen und öffentliche Ausschreibungen vor, bei denen finanzielle Beiträge aus Nicht-EU-Staaten eine Rolle spielen (vgl. dazu unseren Beitrag hier). Diese Anmeldepflichten gelten für Transaktionen/Zusammenschlüsse, bei denen das Signing ab dem 12. Juli 2023 erfolgt und für öffentliche Ausschreibungen, die ab diesem Zeitpunkt eingeleitet werden, sofern sie nicht bereits vor dem 12. Oktober 2023 abgeschlossen sind. Bei bestehender Anmeldepflicht gilt eine Stillhalteverpflichtung. Wird dagegen verstoßen, kann die Kommission eine Geldbuße in Höhe von bis zu 10% des jährlichen Gesamtumsatzes des Unternehmens verhängen.
Die FSR ermöglicht es der Kommission außerdem, von Amts wegen („ex officio“) ab dem 12. Juli 2023 alle anderen Marktverzerrungen zu untersuchen, die sich nach ihrer Einschätzung aus drittländischen Subventionen ergeben.
Die neue FSR-Durchführungsverordnung legt nun die Verfahrensregeln für die Anmeldung von Transaktionen einerseits und die Meldung von Angeboten bei öffentlichen Ausschreibungen andererseits fest und gibt praktische und verfahrenstechnische Hinweise für die notifizierenden Unternehmen. Als Anhänge der Durchführungsverordnung sind von der Kommission bereitgestellte Standardformulare für die Anmeldung von Zusammenschlüssen (Formular FS-CO für „Concentrations“) und bei Angeboten in öffentlichen Vergabeverfahren (Formular FS-PP für „Public Procurement“) beigefügt.
Im Februar 2023 hatte die Kommission eine öffentliche Konsultation eingeleitet mit der Aufforderung an Marktteilnehmer und Interessengruppen, sich zu einem ersten Entwurf der Durchführungsverordnung zu äußern (vgl. unseren Beitrag hier). Dieser Entwurf wurde branchenübergreifend als zu aufwändig, überbordend bürokratisch und unpraktisch kritisiert.
Die endgültige Fassung der Durchführungsverordnung berücksichtigt diese Kritik und sieht nun, entsprechend der Art der finanziellen Zuwendung aus einem Drittstaat, abgestufte Informationspflichten vor.
Abgestufte Informationspflichten: Ist die finanzielle Zuwendung aus einem Drittstaat auf der „schwarzen Liste“?
Als Faustformel lässt sich festhalten: je wahrscheinlicher eine Verzerrung des EU-Binnenmarktes, desto detaillierter die Informationen, die mitgeteilt werden müssen. Ungeachtet aller in den Formularen verlangten Angaben hat die Kommission zudem jederzeit die Möglichkeit, durch Auskunftsverlangen weitere Informationen anzufordern.
Vollumfängliche Informationspflicht
Für beide Anmeldeformulare (FS-CO und FS-PP) sind jetzt nur noch detaillierte Angaben zu solchen finanziellen Zuwendungen erforderlich, bei denen mit größter Wahrscheinlichkeit eine Verzerrung des Binnenmarkts stattfindet, sofern die Einzelbeträge dieser finanziellen Beiträge 1 Mio. EUR oder mehr betragen.
Diese „schwarze Liste“ ist in Art. 5 Abs. 1 FSR aufgeführt und enthält diejenigen Kategorien drittstaatlicher Subventionen, bei denen nach Auffassung der Kommission mit größter Wahrscheinlichkeit eine Verzerrung des Binnenmarkts eintreten kann. Darunter fallen
- Subventionen für notleidende Unternehmen,
- Subventionen in Form von unbegrenzten Garantien,
- Exportfinanzierungsmaßnahmen, die nicht mit den OECD-Regeln übereinstimmen,
- Subventionen, die eine Transaktion direkt erleichtern (nur für M&A-Notifikationen relevant) und
- Subventionen, die ein Unternehmen in die Lage versetzen, ein ungerechtfertigt günstiges Angebot abzugeben (nur für Notifizierungen von Angeboten im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen relevant).
Zu finanziellen Zuwendungen, die – mit einem Begünstigungselement verknüpft – potenziell unter diese Kategorien fallen können, sind detaillierte Angaben vorzunehmen, einschließlich
- der Form der finanziellen Zuwendung,
- Angaben zur gewährenden Behörde,
- des Betrags, des Zwecks, der wirtschaftlichen Gründe, der Hauptelemente und der Merkmale der finanziellen Zuwendung,
- der an die finanzielle Zuwendung geknüpften Bedingungen und
- ob die finanzielle Zuwendung dem Empfänger einen selektiven Vorteil verschafft.
Eingeschränkte Informationspflicht
Für alle weiteren finanziellen Zuwendungen, die nicht unter Art. 5 FSR fallen, gilt grundsätzlich eine eingeschränkte Informationspflicht. Im jeweiligen Anmeldeformular FS-CO und FS-PP findet sich eine „Tabelle 1“, in der die finanziellen Zuwendungen nach Drittstaat und nach Art mitsamt einer kurzen Zweckbeschreibung zusammengefasst dargestellt werden können. Hierfür muss die finanzielle Zuwendung mindestens 1 Mio. EUR betragen und im Ergebnis mit allen anderen finanziellen Zuwendungen desselben Drittstaates mindestens 45 Mio. EUR betragen, damit die eingeschränkte Informationspflicht greift. Eine Berechnungsmethode zur Wertermittlung wird ebenfalls im Anmeldeformular vorgegeben.
Einige drittstaatliche finanzielle Zuwendungen müssen aber nicht einmal in die Tabelle eingetragen werden. Unter diese Ausnahme fallen
- Stundungen von Steuern oder Sozialversicherungsbeiträgen, Steueramnestien, befristete Steuerbefreiungen sowie allgemein angewendete normale Abschreibungs- und Verlustvortragsregelungen. Sind solche Maßnahmen allerdings beschränkt, z. B. auf bestimmte Wirtschaftszweige, Regionen oder (Arten von) Unternehmen, dann müssen sie eingetragen werden.
- Anwendung von Steuerermäßigungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Einklang mit bilateralen oder multilateralen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sowie unilaterale Steuerermäßigungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nach nationalen Steuervorschriften, soweit sie derselben Logik folgen und dieselben Voraussetzungen vorsehen wie bilaterale oder multilaterale Abkommen. Wann ein solcher Fall vorliegt, ist noch nicht geklärt.
- Bereitstellung/Erwerb von Waren/Dienstleistungen (ausgenommen Finanzdienstleistungen) zu Marktbedingungen im Rahmen der normalen Geschäftstätigkeit, z. B. Bereitstellung/Erwerb von Waren oder Dienstleistungen nach einem wettbewerbsorientierten, transparenten und diskriminierungsfreien Vergabeverfahren. Derzeit ist noch offen, wie die Kommission in der Praxis prüfen wird, ob Güter marktgerecht angeboten werden, insbesondere im Hinblick auf allgemein bestehende Handelsverzerrungen (z.B. im Fall China).
- Drittstaatliche finanzielle Zuwendungen, deren jeweiliger Betrag geringer ist als 1 Mio. EUR.
Entbehrlichkeit der Informationen – Keine Informationspflicht
In allen anderen Fällen finanzieller Zuwendungen müssen keine Angaben im Anmeldeformular gemacht werden. Die Kommission kann allerdings, wie oben dargestellt, etwaige Informationen anfordern, sollte sie eine Wettbewerbsverzerrung vermuten.
Vorabkontakte und Befreiungsanträge: Was ist möglich?
Die Kommission regt ausdrücklich an, vor der Anmeldung mit ihr in Kontakt zu treten, um offene Punkte und den genauen Informationsbedarf frühzeitig zu klären. Im Rahmen dieser Vorabkontakte kann unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Befreiung (sog. „Waiver“) von der Pflicht zur Vorlage bestimmter Informationen, die in dem Anmeldeformular an sich verlangt werden, beantragt werden. Mit einem solchen „Waiver“ kann die Kommission dann das anmeldende bzw. die anmeldenden Unternehmen von der Informationspflicht (teilweise) befreien.
Aber: Weiterhin Zusammenrechnung aller finanziellen Zuwendungen aus Drittstaaten
Schließlich muss beachtet werden, dass diese abgestufte Informationspflicht keine Auswirkungen auf die Bewertung einer grundsätzlich bestehenden Anmeldepflicht hat. Die Anmeldepflicht (z.B. für M&A-Transaktionen) greift ab dem Erreichen des Schwellenwertes von 50 Millionen EUR finanzieller Zuwendungen aus Drittstaaten. Dieser Notifizierungsschwellenwert eröffnet den Anwendungsbereich der FSR. Seiner Berechnung zugrunde gelegt werden muss jede finanzielle Zuwendung aus einem Drittstaat, unabhängig von ihrer Art, Höhe, Gegenleistung, oder wettbewerbsverzerrenden Wirkung.
Anders verhält es sich dann mit der konkreten Anmeldung, bei der nur Informationen zu finanziellen Zuwendungen aus Drittstaaten mitgeteilt werden müssen, die in eine der oben genannten Kategorien fallen und über dem „Berichts“-Schwellenwert von 1 Mio. EUR liegen.
Ausblick und Praxisfolgen: Was müssen Unternehmen tun?
Die Durchführungsverordnung zeigt, dass das neue System erhebliche Auswirkungen auf potenziell anmeldepflichtige M&A-Transaktionen und Angebote in öffentlichen Vergabeverfahren haben wird. Unternehmen haben allerdings die Möglichkeit, sich darauf vorzubereiten.
Unternehmen, die nicht ausschließen können, innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre eine FSR-bedingte Anmeldepflicht auszulösen, sollten sich in den kommenden Monaten bis zum 12. Oktober 2023 vorbereiten. Der Zeitrahmen der Anmeldepflicht ist an das Datum der Unterzeichnung der M&A-Vereinbarung bei Transaktionen bzw. der Verfahrenseinleitung bei öffentlichen Vergabeverfahren geknüpft. Anknüpfend an diesen Zeitpunkt müssen rückwirkend alle finanziellen Zuwendungen der letzten drei Jahre angegeben werden, sofern eine Anmeldepflicht besteht. Unternehmen müssen daher ein internes Informationssammlungssystem etablieren, mit dessen Hilfe gezielt in einem Zeitraum ab dem 12. Oktober 2020 die von der FSR geforderten Informationen gesammelt, erfasst und idealerweise entsprechend den Vorgaben der Durchführungsverordnung aufbereitet werden. Diese Posten sollten auch buchhalterisch getrennt von Fördermitteln aus EU-Mitgliedsstaaten ausgewiesen werden, um einer Vermischung verschiedener Zahlungsströme (die verschiedenen Regeln unterworfen sind) vorzubeugen.
Dieser Prozess ist freilich umfangreich und ressourcenintensiv, zumal die geforderten Informationen über jegliche finanzielle Zuwendung auf globaler und konzernweiter Basis zu sammeln sind. Alle finanziellen Zuwendungen sind grundsätzlich (z.T. mit unterschiedlichem Detailgrad) anzugeben, es sei denn, es liegt ein Ausnahmefall vor (s.o.).
Nichtsdestotrotz scheint es angezeigt, ein solches System einzuführen. Dies gilt nicht zuletzt angesichts der Möglichkeiten der Kommission, eine Prüfung von Amts wegen einzuleiten. Ansonsten drohen Informationslücken, die eine M&A-Transaktion bei bestehender Anmeldepflicht verzögern oder unter Umständen sogar gefährden können. Dabei sollte das System so konzipiert sein, dass es regelmäßig aktualisiert werden kann.
Wenn finanzielle Zuwendungen aus Drittstaaten ab dem Tag der Einführung eines solchen Systems regelmäßig erfasst werden und entsprechend verbucht werden, dürfte sich in der Transaktionspraxis die Prüfung einer Anmeldepflicht bald als üblicher Verfahrensschritt einer Due-Dilligence-Prüfung erweisen und zur Routine werden. Dasselbe gilt für die Berichtspflicht im Rahmen öffentlicher Vergabeverfahren.
Die Verwaltungspraxis der Kommission und die dazu ergehende Rechtsprechung werden in den kommenden Jahren Aufschluss darüber geben, wie die Regeln in der Praxis funktionieren. Unter Berücksichtigung neuerer Entwicklungen kann ein bestehendes Informationssammlungssystem hinsichtlich seiner Struktur und Anforderungen laufend und dynamisch angepasst und verbessert werden. Hierauf können und sollten sich Unternehmen aber bereits jetzt vorbereiten und die kommenden drei Monate intensiv nutzen, ein solches System konzernintern zu etablieren.