Urteile aus anderen Staaten vollstrecken

Es kommt in der Praxis manchmal vor, dass Schuldnerinnen oder Schuldner erst im Rahmen der Vollstreckung von einer im Ausland ergangenen Entscheidung erfahren – möglicherweise sogar erst geraume Zeit nach Abschluss des Verfahrens im Ursprungsstaat. Was tun?

  • Zum einen sollte man sofort prüfen, welche Rechtsmittel noch im Ursprungsverfahren erhoben werden können, um die Entscheidung zu beseitigen.
  • Es gibt jedoch vielfach auch im Vollstreckungsstaat Möglichkeiten, gegen die Vollstreckung vorzugehen.

Gerichtliche Entscheidungen sind in ihrer Wirkung zunächst auf den Staat beschränkt, in welchem sie erlassen wurden. Durch internationale Übereinkommen und Europäische Verordnungen sowie über § 328 ZPO können gerichtliche Entscheidungen anderer Staaten jedoch auch im Inland anerkannt werden. Durch die Anerkennung entfalten sie Wirkung auch im anderen Staat, können dort also in Verfahren als bereits entschieden geltend gemacht werden. Die Anerkennung erfolgt bereits automatisch durch die Anordnung im Gesetz. Für eine Vollstreckung im Inland ist dagegen regelmäßig eine Vollstreckbarerklärung erforderlich.

Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus Drittstaaten

Die Anerkennung und Vollstreckung drittstaatlicher Entscheidungen ist teilweise durch internationale Abkommen (z. B. bilaterale Übereinkommen mit Norwegen und Israel; das Luganoer Übereinkommen zwischen der EU und den Staaten des EWR „LugÜ“) geregelt. Für andere Staaten sieht auch § 328 ZPO die Anerkennung ausländischer Entscheidungen unter bestimmten Voraussetzungen vor. Um ein drittstaatliches Urteil in Deutschland zu vollstrecken, muss eine Vollstreckbarerklärung dieses Urteils in Deutschland beantragt werden (Art. 38 LugÜ; § 4 AVAG). Außerhalb dieser Übereinkommen erfolgt die Vollstreckbarerklärung im Wege einer Klage, § 722 f. ZPO. In diesem sogenannten Exequatur-Verfahren wird die Wirkung des Urteils auf das Inland erstreckt und die Entscheidung mit einer Vollstreckungsklausel versehen. Sofern die gerichtliche Entscheidung einen Tenor enthält, der in Deutschland so nicht vollstreckbar ist (insb. Bestimmtheit), wird dieser in der Exequatur-Entscheidung angepasst. Der Exequatur-Antrag bzw. die Klage ist daher darauf gerichtet, einen Titel zu erhalten, welchen die deutschen Vollstreckungsorgane akzeptieren und umsetzen können.

Verteidigungsmöglichkeiten

Wird gegen Sie ein Titel aus einem Drittstaat im Inland geltend gemacht, können Sie beantragen, die Anerkennung zu verweigern, wenn hierfür gesetzlich vorgesehene Gründe vorliegen. Diese Gründe ergeben sich aus § 328 ZPO, soweit sie nicht bilateral in Abkommen mit dem Ursprungsstaat der Entscheidung abweichend geregelt sind. Hierunter fällt in der Regel:

  • wenn die Gerichte des Staates, dem das ausländische Gericht angehört, nach den deutschen Gesetzen nicht zuständig sind;
  • wenn sich die beklagte Partei auf das Verfahren nicht eingelassen hat und hierzu mangels ordnungsgemäßer Zustellung der Klage o.ä. nicht in der Lage war;
  • wenn die Anerkennung des Urteils zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist;
  • wenn deutsche Urteile in dem Ursprungsstaat nicht anerkannt werden.

Der letzte Punkt ist auch der Grund, warum bei Vereinbarungen mit Vertragsparteien außerhalb der EU vielfach zu Schiedsvereinbarungen geraten wird – es gibt eine Reihe von Staaten, die deutsche Urteile nicht anerkennen. Von deren Gerichten erlassene Urteile werden sodann auch nicht in Deutschland anerkannt.

Beispiele:

  • Ein gerichtlicher Strafschadensersatz, der den tatsächlichen Schaden um ein Vielfaches übersteigt, kann gegen die wesentlichen Grundsätze des deutschen Rechts verstoßen – die Vollstreckbarkeit wird der Höhe nach begrenzt;
  • Die Ursprungsentscheidung ist aufgrund eines Prozessbetrugs ergangen;
  • Die beklagte Partei hat keine Zustellung der Klage erhalten und hatte keine Kenntnis vom Verfahren; er hat keine Möglichkeit mehr, ordentliche Rechtsmittel im Ursprungsstaat geltend zu machen.

In der Regel erfahren Schuldnerinnen und Schuldner erst von der Vollstreckbarerklärung, wenn diese bereits ergangen ist. Dies hat den Grund darin, dass § 6 AVAG vorsieht, dass die Vollstreckbarerklärung auf Antrag des Gläubigers ohne Anhörung der Schuldnerin ergeht. Die Schuldnerin kann sodann dem Rechtsmittel der Beschwerde geltend machen, aus welchen Gründen die Anerkennung zu versagen ist. Die Frist beträgt in der Regel 1 Monat ab Zustellung des Exequatur-Beschlusses. § 722 ZPO (anwendbar, wenn keine Übereinkommen mit dem Ursprungsstaat bestehen) sieht demgegenüber vor, dass die Vollstreckbarerklärung durch Urteil ergeht, also unter Einbeziehung der Schuldnerin. Hier werden die Versagungsgründe mit der Klageerwiderung vorgetragen.

Automatische Anerkennung innerhalb der EU

Seit Einführung der Brüssel Ia-VO werden gerichtliche Entscheidungen automatisch in anderen Mitgliedstaaten anerkannt und sind dort vollstreckbar, ohne dass es einer diesbezüglichen Entscheidung in jedem betreffenden Mitgliedstaat bedarf. Es genügt, beim Ursprungsgericht eine Bescheinigung zur Vorlage in anderen Mitgliedstaaten zu beantragen. Das Verfahren, mit welchem auf Antrag einer Partei die Vollstreckbarkeit der Entscheidung von einem Gericht im jeweiligen Vollstreckungsstaat erklärt werden musste, ist entfallen (Art. 39 Brüssel Ia-VO).

Art. 43 Brüssel Ia-VO sieht vor, dass Schuldnerinnen oder Schuldnern vor der ersten Vollstreckungsmaßnahme die Bescheinigung zugestellt wird, mit welcher das Ursprungsgericht die Vollstreckbarkeit in allen Mitgliedstaaten für die Entscheidung bestätigt hat. Es kann vorkommen, dass sie erst durch diese Zustellung von der Entscheidung erfahren.

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