März 2025 Blog

Vereinfachung von Nachhaltigkeits- und Berichtspflichten – Wohin fährt der Omnibus?

Am 26. Februar 2025 hat die Europäische Kommission ihr erstes Paket von Omnibus Vorschlägen vorgelegt. Das erklärte Ziel ist die Entbürokratisierung und die Entlastung von Unternehmen. Was das Paket konkret beinhaltet und welche Änderungen die Vorschläge zur Folge hätten, fassen wir für Sie zusammen. 

Der Omnibus: Was bisher geschah

Mit Ablauf des Jahres 2024 kündigte sich nach und nach an, dass die Kommission den Plan gefasst hatte, Vorschläge zur Vereinfachung von insbesondere Berichtspflichten im Bereich Nachhaltigkeit und ESG zu erarbeiten. Grundlage boten der sog. Letta-Bericht - eine Sammlung von Vorschlägen des italienischen Premiers Enrico Letta zur Zukunft des Binnenmarkts aus April 2024 - sowie der Draghi-Bericht aus September 2024. Tenor beider Dokumente war die Notwendigkeit der Steigerung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit. Im November 2024 kündigten die Europäischen Staats- und Regierungschefs erstmalig ein diesbezügliches Maßnahmenpaket an (sog. Budapester Erklärung).

Konkreter wurde es schließlich zu Beginn dieses Jahres: Die Idee des Omnibus-Vorschlags zeichnete sich ab im Rahmen des im Januar veröffentlichten EU Competitiveness Compass sowie dem Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für das Jahr 2025. Die dort enthaltenen Informationen boten viel Raum für Spekulationen und regten eine teils leidenschaftlich geführte öffentliche Debatte an. Seit dem 26. Februar 2025 besteht nun endlich Klarheit über die Vorschläge der Kommission.

Inhalt des Pakets

Was umfasst das Omnibus Paket?

  • Einen Vorschlag für eine Richtlinie, der die Anwendung aller Berichtspflichten der Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) für Unternehmen, die in den Jahren 2026 und 2027 Bericht erstatten müssen (sogenannte Unternehmen der Welle 2 und 3) verschiebt und die Umsetzungsfrist sowie die erste Welle der Anwendung der Europäischen Lieferketten-Richtlinie (CSDDD) verschiebt;
  • Einen Vorschlag für eine Richtlinie zur inhaltlichen Änderung der CSRD und der CSDDD;
  • Eine Überarbeitung der delegierten Rechtsakte zur Taxonomie Verordnung;
  • Einen Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Schaffung eines Co2-Grenzausgleichssystems (CBAM-VO);
  • Einen Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der InvestEu-Verordnung.

Dieser Beitrag konzentriert sich auf die in den ersten drei Bullets genannten Vorschläge. Für eine detaillierte Analyse der Vorschlags zur CBAM-VO verweisen wir auf den Beitrag unserer Kolleg*innen Dr. Gerd Schwendinger, Roman Jusen und Nina-Eileen Tilke. 

Vorschläge zur Änderung der Europäischen Lieferkettenrichtlinie 

Die Änderungsvorschläge bezüglich der CSDDD zielen darauf ab, die regulatorische Bürde für Unternehmen, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), zu verringern. Zunächst soll der sogenannte „stop the clock“-Vorschlag zur Verschiebung von CSRD und CSDDD eine unmittelbare Entlastung für Unternehmen bieten, indem sie schlicht mehr Vorbereitungszeit erhalten. Die Umsetzungsfrist der CSDDD für Mitgliedstaaten soll von Juli 2026 auf Juli 2027 verschoben werden. Weiterhin soll der Anwendungsstart für die erste Unternehmensgruppe (über 5.000 Mitarbeitende und 1,5 Milliarden EUR Jahresumsatz) von Juli 2027 auf Juli 2028 verschoben werden. 

In inhaltlicher Hinsicht sieht der Vorschlag insbesondere folgende Änderungen vor:

  • Die Pflicht zur Durchführung einer Risikoanalyse bezieht sich nur noch auf direkte Zulieferer, nicht mehr auf die gesamte Lieferkette inklusive mittelbare Zulieferer. Diese sollen nur noch anlassbezogen in den Blick genommen werden, ähnlich wie im deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG).
  • Anstatt einer jährlichen Wirksamkeitsüberprüfung der Sorgfaltspflichten soll eine solche nur noch alle fünf Jahre durchgeführt werden.
  • Der Abbruch der Geschäftsbeziehungen als verpflichtende „last resort“ Maßnahme ist nicht mehr vorgesehen.
  • Das EU-weite zivilrechtliche Haftungsregime wird abgeschafft.
  • Lieferanten-Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitenden sollen nicht mehr Adressat von umfangreichen Informationsabfragen sein dürfen.
  • Unternehmen müssen einen Klimaschutzplan nur noch annehmen, die verpflichtende Umsetzung entfällt.

Viele Regelungen der CSDDD bleiben von dem Vorschlag allerdings auch unberührt. So greift dieser beispielsweise nicht in den Umfang der geschützten Menschen- und Umweltrechte ein. Auch der grundsätzliche Rahmen der Sorgfaltspflichten mit Risikoanalyse, Maßnahmen zur Prävention und Abhilfe sowie einem Beschwerdemechanismus bleiben gleich. 

Vorschläge zur Änderung der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der CSRD

Die bislang noch nicht in deutsches Recht umgesetzte CSRD wird erheblich geändert. Nach den Vorschlägen der EU-Kommission soll der Anwendungsbereich der Richtlinie um etwa 80 % der bislang umfassten Unternehmen reduziert werden.

Die CSRD soll zukünftig nur noch auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden und entweder mehr als 50 Mio. EUR Umsatz oder mehr als 25 Mio. EUR Bilanzsumme anwendbar sein.

Ziel ist es, die Berichtspflichten auf große Unternehmen zu fokussieren, die die größte Auswirkung auf Mensch und Umwelt haben, und so insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen (hier: 250 bis 1.000 Mitarbeitende) wirtschaftlich und bürokratisch zu entlasten. Die Kommission reagiert damit auf die Kritik, die CSRD belaste kleinere und mittlere Unternehmen unverhältnismäßig. 

Auch die Abstimmung der verschiedenen Richtlinien, aus denen sich Berichtspflichten für Unternehmen ergaben, stand bislang in der Kritik. Dieser Kritik soll mit den vorgenommenen Änderungen ebenfalls zumindest entgegengewirkt werden.

Kleinere und mittlere Unternehmen sollen zudem die Möglichkeit erhalten, freiwillig Bericht zu erstatten. Hierzu soll durch die EFRAG ein neuer Berichtsstandard erarbeitet werden.

Um ein Verlagern durch vertragliche Vereinbarungen von den „Großen“ auf die “Kleinen“ und „Mittleren“ Unternehmen wie bspw. im Zusammenhang mit dem LkSG geschehen, zu vermeiden, soll der noch zu schaffende Berichtstandard für kleinere und mittlere Unternehmen gleichzeitig die Informationspflichten von KMU an Vertragspartner dem Umfang nach begrenzen.

Eigentlich waren die ersten Unternehmen bereits seit dem 1. Januar 2025 nach der CSRD berichtspflichtig. Aufgrund der noch nicht erfolgten Umsetzung in deutsches Recht galt bzw. gilt jedoch weiterhin die „alte“ Rechtslage. 

Der Kommissionsvorschlag sieht zudem ein „Aufschieben“ der Berichtspflichten auf 2028 vor. Dies soll jedoch nur die sog. zweite und dritte Welle betreffen. Unternehmen, die bereits zum 1. Januar 2025 nach der Richtlinie berichtspflichtig sind, sollen von der Verschiebung nicht profitieren und hängen aufgrund der fehlenden Umsetzung in deutsches Recht nunmehr etwas „in der Luft“. Je nachdem, wann die neue Bundesregierung die CSRD in nationales Recht umsetzt, dürften hiermit Herausforderungen verbunden sein. Bis zur Umsetzung der CSRD bleiben diese Unternehmen wohl nach der bisherigen Rechtslage berichtspflichtig. 

Trotz Verschiebung ist eine Auseinandersetzung mit den Berichtspflichten dringend anzuraten. Sowohl die Berichtspflichten selbst als auch und gerade die zugrundeliegende Informationsbeschaffung sind mit erheblichem zeitlichen, personellen und finanziellen Aufwand verbunden. Darüber hinaus sollen die Reporting Standards (ESRS) verschlankt werden; Sektorspezifische Berichtsstandards sollen entfallen. Auf diese Weise sollen die Berichtspflichten für KMU um bis zu 35 % und für größere Unternehmen um bis zu 25 % reduziert werden.

Auch nimmt sich die Kommission mit ihrem Vorschlag selbst die Möglichkeit, in Zukunft bei der Berichtsprüfung eine sog. „reasonable Assurance“ einzuführen, was im Zuge der Abschlussprüfung ebenfalls erhebliche weitere Kosten ausgelöst hätte. 

Alles in allem ist der Vorschlag eine erhebliche und durchaus sinnvolle Reduzierung der CSRD. Abzuwarten bleibt, wie (umfangreich) die Berichtsstandards für KMU ausfallen und wie größere Unternehmen in der Folge die für ihre Berichtspflichten benötigten Informationen zusammentragen können.

Vorschläge zur Änderung der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der Taxonomie-Verordnung

Auch die Berichtspflichten unter der Taxonomie-Verordnung sollen nach den Vorschlägen der Kommission reduziert werden. Der Anwendungsbereich soll nunmehr aus Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden und einem Umsatz von mehr als 450 Mio. EUR bestehen.

Zudem wird für die Taxonomie-Berichterstattung eine finanzielle Mindestschwelle eingeführt. Berichtspflichtig sind sodann nur noch solche Aktivitäten, die 10 % des Jahresumsatzes, der CapEx oder der Bilanzsumme überschreiten.

Die Zahl der Meldebögen soll zudem um rund 70 % verringert werden.

Darüber hinaus sollen die sog. „do no significant harm“-Prinzipien (DNSH) überarbeitet und vereinfacht werden. Die hohen Anforderungen, die bislang mit diesen einhergingen, und die hohe (technische) Komplexität machten es Unternehmen bisher schwer, „nachhaltig“ im Sinne der Taxonomie-Verordnung zu werden.

Darüber hinaus soll der „Green Asset Ratio“ (GAR) angepasst werden. Banken sollen aus diesem für sie zentralen Leistungsindikator für nicht unter die CSRD fallende Unternehmen Risikooptionen ausschließen können. Bei Anwendung des GAR ist (bei unzureichender „ESG“-Konformität) mit steigenden Finanzierungskosten zu rechnen. Dieser Schritt dient also ebenfalls dazu, die wirtschaftlichen Belastungen von KMU durch die CSRD zu reduzieren.

Mit den (vorgeschlagenen) Änderungen an CSRD und Taxonomie-Verordnung ergibt sich insgesamt eine erhebliche Reduktion der Berichtspflichten für Unternehmen. Nunmehr bleibt abzuwarten, welche der gemachten Vorschläge tatsächlich in Kraft treten und in welchem Umfang der Markt freiwillige Reportings einfordern wird.

Ausblick und Handlungsempfehlungen 

Bei der aktuellen Schnelllebigkeit der Entwicklungen und dem unüblichen Trend, dass gerade erst beschlossene Gesetze plötzlich wieder neu aufgerollt werden, verbleibt auf Unternehmensseite viel Rechtsunsicherheit. Tatsächlich besteht aktuell aber kein akuter Handlungsbedarf. Dies folgt zum einen daraus, dass schlicht noch nicht absehbar ist, was am Ende von den Omnibus-Vorschlägen übrigbleiben wird. Zum anderen ist zu beachten, dass eine große Menge an ESG- und Lieferketten-Regulatorik gar nicht von den Vorschlägen betroffen ist. Folglich ist es nicht empfehlenswert, die eigenen Bemühungen jetzt erst einmal auf Eis zu legen. 

Weiterer Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens

Es ist von zentraler Bedeutung zu verstehen, dass die Vorschläge der Kommission lediglich den Auftakt der jeweiligen Gesetzgebungsprozesse markieren. Wenngleich die Kommission eine zügige Verabschiedung angeregt hat, kann die Gesetzgebung auf europäischer Ebene erfahrungsgemäß einige Zeit in Anspruch nehmen und noch viele weitere Änderungen mit sich bringen.

Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich lediglich eine Prognose aufstellen: Vom Europäischen Rat dürfte in Anbetracht seiner früheren Äußerungen nicht besonders viel Widerstand zu erwarten sein. Es wurde bereits eine designierte Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich auch bereits zum ersten Mal getroffen hat, was den Prozess zur Abstimmung einer Position beschleunigen dürfte. Anders sieht es aus im Fall des Europäischen Parlaments. Schon in der ersten Debatte zum Thema am 10. März 2025 zeigte sich deutlich, wie gespalten die Positionen der verschiedenen Abgeordneten sind. Während die konservativen und rechten Fraktionen sich für die Vorschläge der Kommission bzw. noch weiterreichende Streichungen aussprechen, kommt aus den grünen, linken und sozialdemokratischen Kreisen viel Widerstand. Die Abstimmung einer gemeinsamen Position dürfte dementsprechend Zeit in Anspruch nehmen. Wie die interinstitutionellen Verhandlungen im Anschluss ablaufen werden, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt seriöserweise noch nicht beurteilen. Zumindest zum stop-the-clock-Vorschlag will das Europäische Parlament jedoch bereits am 1. April 2025 abstimmen.

Viele Rechtsakte bleiben unangetastet

Zur Vollständigkeit gehört auch, dass viele Rechtsakte mit Bezug zu ESG-Themen und Lieferkettensorgfaltspflichten unangetastet bleiben. So sind etwa die EU-Entwaldungsverordnung, die Konfliktmineralien-Verordnung, die Zwangsarbeits-Verordnung und die Batterie-Verordnung nicht von den Omnibus-Vorschlägen betroffen. Auch andere aktuelle Rechtsakte wie die Ökodesign-Verordnung oder die neue Richtlinie zu Green Claims sowie diverse ESG-Vorgaben mit primär umweltrechtlichem Bezug werden nicht in Frage gestellt. 

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